Anlass für den heutigen Blogbeitrag ist ein Anruf eines verzweifelten Herrn, nennen wir Ihn Hr. S. Seines Zeichens Dipl. Ingenieur der Elektrotechnik, 36 Jahre alt, verheiratet, einen kleinen Sohn (2) und ein durchaus angenehmes Einkommen. In seiner Vollzeitstelle bei einem großen Automobilzulieferer, wo er seit der Ausbildung tätig ist, verdient Hr. S. heute monatlich 6.450 EUR brutto und kommt so auf ein Nettoeinkommen von knapp 3.500 EUR monatlich.
Seine Krankenversicherung hat er bei der DAK gelassen, da er das Thema PKV noch nicht überblickt hat, obwohl er schon gern wechseln würde, so erzählt er am Telefon. „Doch das, ja das könnte nun schwer bis unmöglich werden“, oder?, fragt er fast etwas ängstlich.
Was genau war passiert?
Nachdem einer seiner langjährigen Kollegen im letzten Herbst mit einer schweren Depression in die Klinik kam und immer noch nicht wieder „in der Firma ist“, machte sich auch Hr. S. Gedanken um seine Absicherung. Ja, das Thema Berufsunfähigkeit will ja keiner hören und so schiebt man es immer und immer wieder vor sich hin, erzählt er weiter. Aus Studienzeiten hat er noch „irgendwas mit 400 EUR Monatsrente“, aber das reicht ja nicht mal für die Miete jeden Monat. Also macht er sich auf die Suche nach einer passenden Rente (Link: “Richtige Rentenhöhe bei BU“.)
Schnell trifft er auf einen Makler „um die Ecke“ und in einem ersten Termin bestärkt ihn dieser in seiner Idee und stellt fest: „Sie brauchen mindestens mal 3.000 EUR Monatsrente, alles andere macht ja keinen Sinn.“
In seiner eigenen Berechnung kommt Hr. S. sogar noch auf etwas mehr, aber irgendwo muss man ja anfangen und die 400 EUR aus Studienzeiten hat er ja auch noch. Auf die Frage nach dem Gesundheitszustand antwortet er schnell: „das ist einfach, ich war das letzte Mal mit 29 bei einem Arzt, damals auch nur Vorsorge. Sonst ab und an beim Zahnarzt, sonst nix.“
Super, so schnell kann es gehen und der gewünschte und nicht ganz billige Schutz rückt in greifbare Nähe. Ein Anbieter wurde schnell empfohlen und so sollte der Antrag gestellt. Alle Fragen konnten mit „nein“ beantwortet werden, Größe und Gewicht passten auch, nun wartetet er, schon fast sehnsüchtig, auf die Police um das Thema abhaken zu können.
Bevor es aber abgeschickt werden konnte, meinte der Berater:
„Wegen der beantragten Rentenhöhe ist eine ärztliche Untersuchung nötig, die würde auch von der Gesellschaft bezahlt, er müsse nun aber einen Termin vereinbaren und zum Arzt.“
„Kein Problem“ sagte er sich und machte noch am Abend einen Termin. Schließlich macht er viel Sport, hat keinerlei Beschwerden oder Schmerzen, also nur eine Formalie. So geht es kommenden Morgen gleich zum Hausarzt, Blut und Urinstatus und eine Untersuchung mit dem Fragebogen der Versicherung.
Der Anruf vom Arzt
Zwei Tage danach klingelt das Telefon und die Sprechstundenhilfe teilt ihm mit, er müsse noch einmal ins Büro kommen, der Doktor wolle etwas besprechen. Zum Glück ist die Praxis nicht weit weg und so geht es schnell nach der Arbeit dorthin, doch dieser Termin sollte alles ändern.
„Aufgrund der Werte aus den Laboruntersuchungen müssen wir davon ausgehen…. (…) Es handelt sich um eine vermutlich schwere und chronische Erkrankung, einige Tests müssen wir aber noch machen.“
Er, er der immer gesund war, nix hatte und doch nur eine BU abschließen wollte, er, der dynamische und immer gut gelaunte Hr. S. sollte schwer krank sein? Nachdem einige weitere Test ambulant und stationär durchgeführt wurden, die Blut- und Leberwerte nochmals getestet und bildgebende Diagnostik gemacht wurde, stand das Ergebnis gest. Ein neuroendokriner Tumor sollte die Ursache der Werte sein, ein Schlag ins Gesicht für Hr. S. und nebenbei das Ende der beantragten Berufsunfähigkeitsversicherung.
Mit der Diagnose kaum eine Versicherung, oder?
Zunächst einmal war es sicher mehr als gut, aus welchem Grund auch immer der Arztbesuch anstand, dass der Tumor entdeckt wurde und nun behandelt werden kann. Laut Auskunft der Ärzte wird dieses aber zu einer langwierigen Behandlung und weiteren Beschwerden kommen, wohl wird Hr. S. auch seinen Beruf so nicht mehr dauerhaft ausüben können.
Daher ist eine Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht nur in weite Ferne gerückt, sondern wohl auf absehbare Zeit unmöglich. Dieser, doch so elementar wichtige Schutz, wird Hr. S. wohl verwehrt bleiben und so leider im Leistungsfall BU eine große finanzielle Lücke klaffen.
Hätte das vermieden werden können?
Ja, zumindest zum Teil, wenn der Berater die Antragstellung anders gelöst hätte. Bei Rentenhöhen unter 2.500 EUR (bei den meisten Gesellschaften) findet keine ärztliche Untersuchung statt. Das bedeutet also, bei einem Antrag über 2.499 EUR wären nur die Antragsfragen zu beantwortet gewesen und der Versicherer hätte das Risiko hier ohne weitere Einschränkungen angenommen und der Kunde seinen (wenn auch nicht vollständigen) Schutz bekommen.
Nachdem dieser Antrag durch den Versicherer nun angenommen und policiwert worden wäre, dann hätte der Kunde mit seinem Berater einen Antrag auf Erhöhung der monatlich versicherten Rente von 2.500 EUR auf 3.000 EUR stellen können und wäre dann zu einer Untersuchung bestellt worden, da nun die Gesamtrente den Betrag von 2.500 EUR überschritten hätte. Auch dieser wäre dann wohl wegen des Ergebnisses der Untersuchung abgelehnt worden, die 2.499 EUR wären ihm aber sicher gewesen und im Leistungsfall zumindest ein großer Teil des wegfallenden Einkommens gewesen.
Nun wird es aber leider keinen entsprechenden Schutz geben und ich kann leider, so verzweifelt und besorgt er sein mag, hier auch nicht mehr helfen.
Was Sie beachten sollten
- Berechnen Sie ihre benötigte BU Rente richtig und genau
- Überschreitet diese die Grenzen zur Untersuchung, so stellen Sie erst einen Antrag unterhalb dieser Grenze und „sichern“ sich den Schutz dafür
- Beantragten Sie danach den restlichen Schutz auch noch einmal „on top“ um so genau die Rente zu haben, welche gebraucht wird.
Auch wenn dieses Prozedere einen weiteren Antrag, neues Ausfüllen und weitere Arbeit bedeutet, es sichert unter Umständen zumindest einen Teil des nötigen Schutzes, auch wenn dieses nicht die optimale Absicherung ist.
Weitere Informationen
Leitfaden zur Berufsunfähigkeit
(einige) Auswahlkriterien zur BU mit Grafiken
Das kann man garnicht oft genug predigen !
Sehr wichtige Information, leider haben idP die Deutschen im Schnitt BU-Renten von weit unter 1.000 EUR versichert. Da liegt viel im Argen, desto wichtiger dieser Hinweis für Verbraucher, die es richtig machen wollen!
Macht es im Fall einer so hohen Berufsunfähigkeitsrente nicht Sinn, diese bei mehreren Anbietern abzusichern? Zum einen ist dann sicher die Beantwortung der Gesundheitsfragen wie beschrieben nicht mit einer ärztlichen Untersuchung verbunden, zum anderen ist dann im Leistungsfall durch die Streuung auf mehrere Versicherer das Volumen je Vertrag je Versicherer nicht so groß.
Hallo Hr. Besold,
dazu mehr am Montag in einem Extrabeitrag.
Ein sehr interessanter und wichtiger Beitrag ! Und trotzdem beschäftigen sich viele Kunden mehr mit Vollkasko fürs Auto als mit diesem existenziellem Thema !
Hallo Herr Hennig,
ein wirklich guter Beitrag!
Gruß aus Leipzig
Danke !
Warum es sinnig ist, den Ausdruck “Sinn machen” nicht zu verwenden:
Vielen Dank für die Nachhilfestunde, da es sich aber eingebürgert hat, lasse ich es einfach dennoch so, ganz frech wie ich bin.
Sorry aber aus meiner Sucht hat der Kollege alles richtig gemacht. Es kann doch keiner ahnen das bei dem Kunden eine solche, nicht alltägliche Diagnose raus kommt. Und am Ende hat ihm der Arztbesuch ev das Leben gerettet. Der Kunde ist 38! Einfach mal ein paar Jahre eher um das Thema kümmern! Dem Makler hier die “Schuld” zu geben und den Tipp zu geben weniger BU Rente zu versichern als notwendig halte ich schon aus haftungstechnischer Sicht sehr gefährlich. Und wenn das beim Verbraucher in den falschen Hals kommt dann handelt der nächste Beitrag wieder von den Mini-BU-Renten und dessen Sinnlosigkeit ;(
Super freue mich !
wiedermal interessant ! Vorallem wie die gesetzliche EU einbezogen wird. Muß mal meinen BU prüfen, das macht einem Angst
@ Fr. Drescher:
Ich finde Hr. Henning hat recht mit seiner Argumentation. Auch aus Haftungssicht des Maklers sollte der dieser zuerst eine Annahme ohne ärztliche Untersuchungen angstreben und dann erst den vollständigen Schutz aufbauen. Wenn man das genau so auch gegenüber dem Kunden kommuniziert, argumentiert und dokumentiert sehe ich keinerlei Haftungspotential für dieses Vorgehen.
Aufgrund dieser vielen kleinen Details und Erfahrungen sollte doch ein Kunde den erfahrenen Makler ggü. einem Vergleichsprogramm oder Onlinedienst bevorzugen!
Und das Alter eines Kunden hat nichts mit seinem Krankheitsstatus zu tun. Ihnen sitzt jedes mal ein einzelner Kunde gegenüber. Es ist keine große Anzahl von Kunden zu versichern; Statistiken sind hier irrelevant. Als Makler ist man kein Versicherer!
Schon Lessing machte Sinn, lassen Sie sich von Sprachnörglern nicht ins Boxhorn jagen 😉
https://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprachlog/sprachkritik/2010-01-28/max-frisch-macht-sinn
Auch ansonsten wie immer ein sehr guter Artikel.