Es ist gar nicht so lange her, da hatten wir ein gleiches Thema mit der GEK schon einmal. Es ist nur legitim, das jede Seite des Systems ihre Kunden versucht zu halten oder neue zu gewinnen. Aber- fair bitte!
Anscheinend sieht es die BKK Gildemeister Seidensticker anders. Diese veröffentlichen auf Ihrer Homepage und als pdf Datei „14 Irrtümer über die Privaten und 14 Gute Gründe für die BKK Gildemeister Seidensticker“. Dumm nur, man „irrt“ sich in diesen Aussagen nicht nur einmal, sondern x Mal.
Doch fangen wir am Anfang an und schauen uns diese vermeintlichen Gründe einmal genauer an.
Auch wenn die BKK es anscheinend nicht sieht, oder besser nicht sehen will, leider ist die Wirklichkeit anders. Warum wohl trennen Ärzte Wartezimmer nach Art der Zahlung, also nach GKV oder PKV Patienten? Warum haben Ärzte bei dem einen Zeit, beim anderen nicht? Weil es keine Systemunterschiede gibt? Sicher nicht.
Irrtum 1: „Und gerade im Alter werden Ihre Beiträge in der PKV drastisch ansteigen.“
Das erkennt die BKK sicher mit der hauseigenen Glaskugel. Natürlich werden die Beiträge in der PKV steigen, natürlich bei mehr Leistungen auch „mehr“. Im GKV System hatten wir die letzten Jahre unzählige Reformen und Veränderungen in Leistung und Beitrag, das blendet man natürlich gern aus. Logisch.
Irrtum 2: „Zwar werden zwischenzeitlich so genannte Altersrückstellungen für diverse Tarife angeboten, aber: Diese Rückstellungen fangen längst nicht die Kosten auf, die mit den Tariferhöhungen einhergehen.“
Wieder der Blick in die Glaskugel? Leider hat man vergessen, das es Altersrückstellungen im System der PKV schon immer gibt.(Grundlage: Kalkulationsverordnung) Nur so ist das System aufgebaut und finanzierbar, das grundlegende Prinzip der PKV. Komisch das es nun „zwischenzeitlich“ so sein soll. Auch die Aussage zu den „auffangbaren Kosten“ wird Ihnen jeder Aktuar oder Student der Mathematik gern erklären und widerlegen. Wieder ein Argument um die Unsicherheit zu schüren und ein System gegen das andere auszuspielen.
Irrtum 3: „Das ändert sich im Alter. Denn dann steigen die PKV-Beiträge an, weil der Versicherte in der Regel mehr Leistungen in Anspruch nimmt.“
Das ist schon kein Irrtum mehr, sondern völliger Unsinn. Kein Tarif in der Privaten Krankenversicherung (PKV) steigt, weil die Menschen älter werden oder weil diese mehr Leistungen in Anspruch nehmen. Tarife steigen aufgrund höherer Kosten in der Medizin oder längerer Lebenserwartung, also mehr Zeit „am Ende“ in der das PKV Unternehmen auch leisten muss. In der gesetzlichen Krankenkasse ist dieses jedoch nicht berücksichtigt, denn hier werden bei Bedarf und fehlendem Geld im System eben die Beitragssätze erhöht.
Irrtum 4: „ (…) sind Risikozuschläge von bis zu 50 % keine Seltenheit. Darüber hinaus müssen Sie mit Ausschlüssen von Leistungen bei Vorerkrankungen rechnen.“
Auch höhere Zuschläge sind möglich, keine Frage. In der PKV findet eine individuelle Risikoprüfung statt und nach dieser Einschätzung und den zu erwartenden Kosten werden Risikozuschläge erhoben. Jedoch finden in der Privaten Krankenvollversicherung (PKV) keine Ausschlüsse von Leistungen statt. Dieses widerstrebt nicht nur dem Versicherungsgedanken, sondern würde auch der Versicherungspflicht entgegenstehen, die der Gesetzgeber nun einmal verordnet hat.
Irrtum 5: „Bei falschen Angaben kann der Versicherungsschutz darüber hinaus gänzlich wegfallen: Und das je nach Tarif rückwirkend bis zu zehn Jahren!“
Diese Aussage ist zumindest halb richtig und daher nur halb die Unwahrheit, die man anscheinend hiermit zu verbreiten versucht. Bei falschen Angaben und somit einer falschen Einschätzung, kann und muss der Versicherer diese korrigieren. Gänzlich verlieren können Sie aber den Schutz dennoch nie. Durch die Einführung des Basistarifs und der gesetzlichen Versicherungspflicht (§ 193 VVG) steht kein PKV Versicherter im Falle von Nichtzahlung oder Kündigung ohne Schutz dar. Auch dieser Mythos stimmt also nicht.
Irrtum 6: „Privat Krankenversicherte binden sich in der Regel 36 Monate an ihre Versicherung.“
Woher diese Aussage stammt ist mir nicht klar. Wahrscheinlich musste es nur eine Zahl sein, die größer den 18 Monaten Bindungsfrist in der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) ist. Die Mindestvertragslaufzeiten in der PKV liegen zwischen 12 und 36 Monaten. Endet aber ein Vertrag durch Eintritt der Versicherungspflicht oder muss der Kunde aus Gründen wie Arbeitslosigkeit zwangsweise in die gesetzliche Krankenkasse zurück, so endet der Schutz zu diesem Zeitpunkt, unabhängig davon wie lange der Kunde versichert war.
Aber warum sollte ein PKV Wechsel nötig sein? Neue Gesundheitsprüfung und ein neues Eintrittsalter machen diesen nicht unbedingt sinnvoll. Hat der Versicherte sich seinerzeit ordentlich mit dem Thema beschäftigt und sorgfältig die Auswahlkriterien besprochen, so ist ein Wechsel nicht sinnvoll.
Irrtum 7: „Bei der Privaten müssen Sie grundsätzlich in Vorleistung treten und die Kosten dann zurückfordern.“
Wo auch immer diese pauschalen Aussagen her kommen, hier hat mal wieder „einer“ nicht gelesen und nicht zu Ende gedacht. Gerade bei hohen Kosten im Krankenhaus findet eine Direktabrechnung durch das so genannte „Klinik Card“ (Card für die Privatversicherte) Verfahren statt. Dieses System, dem nur die HUK Coburg, Landeskrankenhilfe (LKH) und Debeka nicht angeschlossen sind, verdankt der Kunde eine direkte Abrechnung zwischen Krankenhaus und Versicherung. Ambulante oder Zahnarztkosten werden in Rechnung gestellt und können ebenso erst zur Erstattung eingereicht und dann an den Arzt bezahlt werden.
Irrtum 8: „Wer beispielsweise irgendwann einmal auf die Hilfe eines Psychotherapeuten angewiesen ist– und das ist laut Bundespsychotherapeutenkammer immerhin jeder dritte Versicherte im Laufe seines Lebens – erlebt oft eine böse Überraschung, wenn die Kosten dafür dann nicht übernommen werden.“
Komisch, nur wenige (<5%) Tarife in der PKV bieten keine Leistungen für Psychotherapie (ambulante), andere Tarife decken nicht nur den ambulanten, sondern natürlich auch den stationären (Psycho-) Therapiebereich ab und bieten zum Teil mehr Wahlmöglichkeiten und Schutz als eine GKV. Jedoch ist vollkommen richtig- was ich nicht gewählt habe und nicht versichert ist, wird auch nicht geleistet.
Irrtum 9: „Einige Anbieter kommen für ambulante Heilbehandlungen gar nicht auf.“
Dumm wenn man als Schreiberling eines solchen Satzes das Gesetz nicht kennt. Muss man aber auch nicht, gilt ja nur für die PKV. Würde das ein privater Krankenversicherer tun, so verstieße er gegen geltendes Gesetz. Der Gesetzgeber schreibt vor, jeder Bundesbürger muss sich gegen ambulante und stationäre Risiken versichern. Daher ist auch diese Aussage „leider ein Irrtum“.
Irrtum 10: „Sollte es wider Erwarten einmal zu Streitfällen kommen, ist ein Widerspruchsverfahren bzw. das sich evtl. daran anschließende Sozialgerichtsverfahren für Sie mit keinerlei Kosten verbunden. In der Privaten ist das nicht der Fall.“
Auch hier nur eine Halbwahrheit. Richtig ist natürlich, ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht ist kostenfrei, der eigene Anwalt aber nicht. In der PKV gibt es zunächst die Möglichkeit der Klärung über den Ombudsmann für die Private Krankenversicherung, dieser bietet kostenfreie Schlichtung in Streitfällen, ist aber nur bis „Schäden“ von maximal 5.000 EUR zu nutzen, da nur hier konkret empfehlen kann. Entscheiden (im Sinne von Gerichten) darf dieser jedoch nicht. Im folgenden Gerichts-/ Klageverfahren trägt derjenige die Kosten, der das Verfahren verliert. Durch eine Rechtsschutzversicherung ist eine Absicherung dieser kosten für beide Systeme möglich und sinnvoll.
Leider sind aus den vermeintlichen 14 Gründen gegen die Private Krankenversicherung (PKV) und somit als Wechselverhinderung aus der BKK Gildemeister Seidensticker mindestens 10 Falschaussagen herausgekommen. Bedauerlich finde ich persönlich, das man es als BKK so nötig hat, Kunden mit falschen Behauptungen und Aussagen zu ködern oder zu halten. So „toll“ kann es wohl nicht sein dort.
Es ist sicher so, die Private Krankenversicherung ist sicher nicht für alle, sondern nur eine bestimmte Anzahl von Personen möglich und geeignet. Dabei sind persönliche Umstände, der eigenen Geldbeutel und die Lebensplanung zu beachten.
Ein seriöser Berater wird ihnen ggf. auch einen Verbleib im GKV System und vielleicht den Abschluss einer Zusatzversicherung empfehlen– warum auch nicht. Und JA, es gibt Bereiche (z. Bsp. Kinderkrankengeld, Gesundheitskurse oder ähnliches) welche in der PKV nicht oder nur eingeschränkt geleistet werden. Ich werde hier keine Aufzählung der Vorteile der PKV veranstalten- entscheiden Sie einfach selbst was zu Ihnen passt, das aber mit fachlich richtigen Informationen!
UPDATE:
Heute, am 30. 03. 2011 erreichte mich ein kurzes Schreiben der BKK Gildemeister. Diese teilt mit:
“danken wir Ihnen für Ihre Hinweise und teilen mit, dass wir uns zurzeit mit der Angelegenheit befassen.”
Na dann, warten wir mal ab, was oder ob was kommt. Noch ist der Unsinn aber online. Hier nachzulesen.
Kleine Korrektur: Auch bei der Debeka rechnet das Krankenhaus direkt ab.
Irrtum Nummer 1 ist, die GKV und PKV sind nicht zu vergleichen. Es sind komplett unterschiedliche Systeme.
Eine Vergleichbarkeit ist erst möglich, wenn die Annahmerichtlinien gleich wären.
Sprich, kein Boni- oder Gesundheitscheck. Offen für alle, auch ohne JAEG. Dann ließen sich die Systeme vergleichen. Allerdings möchte ich nicht wissen, wie sich dann die Beiträge in der PKV entwickeln…..