Vielleicht haben Sie in der dieser Woche die kritischen Stimmen meines Kollegen Helberg, meine ,oder die vieler anderer Kollegen mitbekommen, die sich insbesondere mit den Testkriterien der Finanztest und deren aktuellen Test zur Berufsunfähigkeitsversicherung auseinandersetzen. (Link zu den dazu gehörigen Beiträgen)
Aufgrund der vielen Fragen zu dem Test und der bis dahin nicht erfolgten Reaktion der Tester habe ich einen offenen Brief an die Redaktion Finanztest geschrieben. Am Freitag hat Hr. Sebastian Hirsch aus dem Team Versicherungen bei FT auf meine Fragen geantwortet (unten in den Kommentaren), dafür schon einmal vielen Dank, das ging dann binnen zwei Tagen doch recht zügig. Ebenfalls hat Finanztest bereits eine Stellungnahme online gestelt, in welcher die Tester einiges zum Test erklären.
Obwohl ich es löblich finde, überhaupt Position zu beziehen (das war in den letzten Jahren nicht so), um so mehr verwundert mich die Art und Weise. In der Stellungnahme klingt es eher nach “wir rechtfertigen das, was wir gemacht haben” ohne auf die berechtigte Kritik einzugehen. Doch dazu einmal hier im Detail:
Der Test von Berufsunfähigkeitsversicherungen soll Kunden eine Orientierung geben bei der Auswahl einer Berufsunfähigkeitspolice. Um sicherzustellen, dass Verbraucher nach dem Test der Stiftung Warentest Policen mit guten Bedingungen erhalten, werden zahlreiche Kriterien in die Bewertung einbezogen.
Das ist aber einer der Hauptkritikpunkte. Wenn doch so ein Test dazu dient, dem (unbedarften) Kunden eine Orientierung beim Abschluss seines Vertrages zu geben, wie soll er dann eine fundierte Entscheidung treffen, wenn doch 75% aller Tarife “sehr gut sind”. Bereits in meinem Ursprungsbeitrag hatte ich genau diesen Punkt als kritisch gesehen, denn gerade so eine Orientierung gibt es hier nicht. Einem Endkunden (und Finanztest betont das Sie immer auf den Durchschnittskunden der “breiten Masse” abstellen) bringen solche Ergebnisse in Summe gar nichts, denn oftmals ist dieser noch verwirrter als vorher. (Probieren Sie es aus, nehmen Sie die Tabelle und entscheiden sich für einen Versicherer Tarif).
Ebenso liegt genau in der Wahrnehmung des Kunden “ach die sind ja alle sehr gut” die große Gefahr einer Fehlentscheidung. In der Antwort auf Frage drei in meinem offenen Brief schreibt die Finanztest Redaktion dann:
Unser Testfokus liegt ganz klar auf der Existenzsicherung im Falle der Berufsunfähigkeit und er ist deshalb so konzipiert, dass er auf eine Mehrzahl der Verbraucher anwendbar ist – quasi das „must have“. „Nice to have“ Kriterien, die vor allem in der Individualberatung relevant sind oder Kriterien, die aus Verbraucherschutzsicht schwer klar positiv oder negativ zu werten sind, flossen entsprechend nicht in die Note ein und wurden „nur“ auf gravierende Auffälligkeiten geprüft.
Wenn es um die Sicherheit der Existenz geht und um die “must have” Kriterien, wie kann es dann sein das Versicherer mit schlechten Regelungen zur Nachversicherungsgarantie, garantierten Rentensteigerung im Leistungsfall oder aber der Möglichkeit andere Kriterien in der Nachprüfung als im Erstprüfungsverfahren anzuwenden “Testsieger” werden? Gerade das sind (neben anderen) Kriterien, die über eine unter Umständen Lebenslange Leistung entscheiden, oder diese eben unmöglich machen. Und auch das Argument in einer Diskussion dazu, die Prämien müssen bezahlbar bleiben führt hier nicht zum Ziel. Was nützt eine Absicherung dem Endkunden, wenn er im Fall der Leistung keine Rente bekommt, dafür aber die letzten Jahre X Euro weniger an Prämien gezahlt hat? Und aufgrund der Einschränkungen in den Bedingungen hat der Versicherer die Leistung sogar zurecht verweigert, was er auch muss um das Kollektiv der anderen Versicherten vor unberechtigten Forderungen zu schützen.
Ein Beispiel aus den Bedingungen der Aachen Münchner BUZ:
b) Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt ebenfalls nicht vor, wenn die versicherte Person nach Eintritt des in Absatz 1, 2 oder 3 beschriebenen Zustands als Selbstständiger oder Angestellter mit Weisungs- und Direktionsbefugnis nach wirtschaftlich angemessener Umorganisation innerhalb des Betriebes weiter tätig sein könnte. Eine Umorganisation ist angemessen, wenn
– sie keinen erheblichen Kapitaleinsatz erfordert,
– sich keine auf Dauer ins Gewicht fallenden Einkommenseinbußen ergeben, (…)
Das ist eine der Formulierungen, welche im Leistungsfall darüber entscheiden, ob eine Rente gezahlt wird, oder aber eben der Versicherer die Leistung verweigert. Isoliert betrachtet wäre das einzelne Kriterium nicht (kriegs-)entscheidend, in der Gesamtbetrachtung aber schon, zumal es eine Reihe von Versicherern gibt, welche so eine Formulierung in den Bedingungen abgedungen haben, aus gutem Grund. Und nein, das Argument “da gibt es BGH Rechtsprechung” zu, bringt den Endkunden nicht weiter. Die Kritik ist nicht, das nicht alle Punkte bewertet wurden, die Kritik geht dahin, dass FR behauptet:
Die relevanten der als fehlend beanstandeten Prüfpunkte wurden in der Untersuchung ebenfalls überprüft. Im Ergebnis gab es hierbei aber keine gravierenden Auffälligkeiten.
Oder die Frage nach dem Ausschluss der Beitragsanpassung nach 163 VVG. Auch hier ist es m.E. ein ganz entscheidendes Kriterium, ob sich der Kunde darauf verlassen kann einen solchen Verzicht (und damit stabile Bruttobeiträge) über die gesamte Laufzeit zu haben, oder ob der Versicherer eben Anpassungen durchführen kann. Und nein, auch die Unternehmen die bewusst auf eine Beitragserhöhung verzichten, werden kaum alle gleich bei der Auffanggesellschaft Protektor landen. Aber selbst wenn ein Unternehmen (nach finanziellen Schwierigkeiten) bei der Auffanggesellschaft Protektor Lebensversicherung AG landet, was ist dann wohl besser? Ein sauberes Bedingungswerk und klare Regelungen, sowie ein Verzicht auf Beitragsanpassungen, oder das Fehlen solcher Regelungen?
Bei jedem Kriterium wurde genau abgewogen, welche Relevanz es für unseren Test hat. So gibt es bei vielen Punkten sowohl pro und contra, warum diese unter Verbrauchergesichtspunkten relevant oder weniger relevant sein können.
Wir sind uns sicher einig, wer testet legt auch die Kriterien fest. Leider ist das Ergebnis des Tests so für den Kunden in keiner Weise brauchbar. Warum ist einfach erklärt.
1.) Kann er nicht nachvollziehen, welche anderen Kriterien zumindest angeschaut wurden und nach Meinung von Finanztest “keine gravierenden Einschränkungen” hatten, so kann er auch nicht entscheiden ob dieses für ihn vielleicht wichtig gewesen wäre und noch nicht einmal kontrollieren ob es überhaupt betrachtet wurde.
2.) Wie die Formulierung im Vergleich zu Mitbewerbern ausgesehen hätte, also ob besser oder schlechter. Daher ist es nicht möglich eine Bewertung der “sehr guten” Tarife vorzunehmen und ihm bliebe nur eine Abwägung nach dem Preis, welches fatale Folgen im Leistungsfall hätte.
Für eine individuellere Überprüfung stellt die Stiftung Warentest zudem eine regelmäßig aktualisierte Checkliste zum Testen von Vertragsangeboten der Berufsunfähigkeitsversicherung bereit.
Auch das bringt nicht wirklich was, denn auch hier sind Kriterien teilweise nicht angesprochen, dazu aber mehr in einem anderen Beitrag und im Detail bei der Auseinandersetzung mit der “CheckListe”.
Noch einmal zur Frage 6 meines offenen Briefes:
6. “In dem Zitat aus der Stellungnahme oben ist die Rede von “Im Ergebnis gab es hierbei aber keine gravierenden Auffälligkeiten.”. Bedeutet das, das Finanztest alle der mit sehr gut bewerteten Tarife für gleichwertig hält?”
Ganz klar und deutlich: Nein! Worauf Sie anspielen, ist allein das Gesamturteil. Dieses setzt sich allerdings aus verschiedenen Gruppenurteilen und den verschiedenen Rahmenbedingungen in den einzelnen Angeboten zusammen. D.h. wo ein Angebot eventuell einen Vorteil hat, verliert es gegebenenfalls an anderer Stelle zu einem Vergleichsangebot.
Die Aussage das es nicht so ist, wird von dem Leser aber ganz anders wahrgenommen und ist im Test so auch nicht deutlich geklärt. Es entsteht der Eindruck “ich suche mir einen Versicherer aus, welcher sehr gut ist” und dann passt das schon. Natürlich erfolgt von Seiten des Lesers dann die Auswahl nach dem Preis. Probieren Sie es aus, nehmen Sie den Test (die Tabelle) in die Hand und fragen Laien, wie diese nun ihren Favoriten auswählen würden. Genau der Preis ist dann, wenn doch “alle sehr gut” sind, das einzige, für den Endkunden greifbare Kriterium.
Doch nun noch einmal zu der Frage der Haftung die berechtigterweise, wie ich finde, den Kollegen und auch mir auf der Seele brennt. Der Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler und auch der Versicherungsberater haftet für eine Empfehlung und muss sich im Falle eines entstandenen Schadens dafür gerade stehen. Genau dieses hatte ich in meinem offenen Brief angefragt:
8. “Haftet Finanztest für eine Empfehlung? Konkret: Wählt ein Kunde einen “sehr guten Tarif” aus und sucht sich dann unter diesen den “billigsten” heraus, steht Finanztest zu der Aussage?”
Wir machen keine Einzelberatung und haften daher auch nicht. Des Weiteren werden unsere Ergebnisse und Empfehlungen nicht unter einem provisionsorientierten Interesse veröffentlicht, was ja einer der Gründe für die Haftung ist, um dem Zwiespalt zwischen Provision und guter Beratung Rechnung zu tragen.
OK, blenden wir den Chat zur Berufsunfähigkeitsversicherung einmal aus, denn hier wurden fragenden EINZELpersonen durchaus Hinweise und Tipps zum Abschluss gegeben und auch hier kam der Hinweis, unter den sehr guten Versicherungstarifen den preiswerten zu wählen. Das ist meines Erachtens sowohl eine Einzelberatung, also auch eine konkrete Empfehlung. Aber genau diese Haftung ist eine der Kritikpunkte. Sobald Tests wie der zur Berufsunfähigkeit über eine reine Aufstellung/ einen reinen Vergleich hinausgehen, muss der Herausgeber auch dafür haften. Gerade hier ist der Gesetzgeber gefordert, dieses auch so zu regeln. (PS: Ich habe vor einigen Jahren eine Analyse zur PKV von Finanztest erstellen lassen, hier werden sehr wohl Empfehlungen für Tarife und konkrete Gesellschaften ausgesprochen, auch hier ist aber die Haftung ausgeschlossen.
Und das Argument mit dem fehlenden Provisionsinteresse und daher der fehlenden Haftung geht ins Leere. Klar, Finanztest vermittelt nicht und erhält daher keine Provision oder Courtage. Der Versicherungsberater jedoch auch nicht, er erhält ein Honorar durch den Kunden, haftet aber dennoch für jede Empfehlung die er gibt. Das Branchenmagazin vt’ hat errechnet, das mit dem Verkauf von Sonderdrucken, Nutzungsrechten an den Siegeln und dergleichen ein Einnahmepotential von deutlich mehr als 1 Mio Euro bei diesem Test besteht. (die sprechen sogar von 1,5 Mio). Ich erwarte nicht, das Finanztest ihre Einnahmen hier offenlegt, dennoch ist es eine Menge Geld und so besteht sowohl ein Interesse an einer möglichst weiten Verbreitung. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Aussage des Chefredakteurs von Finanztest im Beitrag der ARD zu dem “Billigsiegel des TÜV”. Hierin wird ein, für mich, entscheidender Satz von Hr. Tenhagen gesagt (rot im Zitat):
Einer der sich auskennt mit Finanzprodukten und Test-Urteilen ist Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von Finanztest. Für ihn steht fest: Der TÜV verletzt eine Grundregel: „Man kann nicht gleichzeitig testen und zertifizieren. Das funktioniert nicht. Also wenn man prüft. Und das ist das, woran der Kunde beim Tüv denkt: Er denkt an sein Auto, das fahre ich dahin und ich krieg die Plakette nur wenn bestimmte Standards eingehalten sind. Und wenn man dann zertifiziert und sozusagen für Zertifizierung Geld nimmt, dann ist man immer geneigt, möglicherweise beim Prüfen nicht ganz so genau hinzugucken.“
Daher eine Frage: Worin besteht der Unterschied von dem dort kritisierten Verfahren des TÜV und dem, was Finanztest mit dem Test zur BU hier macht? Auch hier wird getestet um dann dem Versicherer zu bescheinigen “du hast einen sehr guten Tarif”. Genau das ist die Information, die die Versicherer im Anschluss daran nutzen und als Siegel verwenden. Hier ist m.E. genau die Situation eingetreten, die Hr. Tenhagen bei dem TÜV so kritisiert. Der Kunde suggeriert eine Erfüllung von existenziellen Kriterien, welche zumindest bei einigen der guten und sehr guten Tarifen nicht gegeben ist. Das kostet ihn im Zweifel die Existenz, wenn der BU Schutz nicht leistet und die einzige Einnahmequelle wäre.
Mein (persönliches) Fazit:
Zunächst einmal bin ich dankbar, das Finanztest zumindest (in Person von Hr. Hirsch) die Diskussion nicht scheut. Dennoch bringt diese nicht wirklich weiter, da die Grundaussage “wir machen das nur für den Durchschnittskunden und nicht individuell” anscheinend das ist, auf welche man jedwede Kritik bezieht bzw. diese daran abprallt. Es bringt aus den oben beschriebenen Kunden bei so komplizierten und (finanziell) lebenswichtigen Punkten dem Kunden rein gar nichts, wenn er eine Tabelle mit 4/4 sehr guter Tarife vor sich sieht. Kann es aber auch nicht, da die Lebenssituationen, die Abstimmung auf persönliche Umstände und Erfordernisse eben nicht in einem Test wie diesem abgebildet werden können.
Es stekt sicher extrem viel Geld in so einem Test und die Stiftung Warentest muss sich schließlich irgendwie finanzieren (nicht um Gewinn zu machen, sondern um Kosten zu decken). Als Institution die staatlich unterstützt wird und dabei Verbraucher vor falschen Entscheidungen bewahren- und Hilfestellungen geben soll, versagt sie mit diesem Test auf der ganzen Linie. Der “Test” schafft mehr Verwirrung als er zur Klärung der Umstände beiträgt und führt den Endkunden mit den Ergebnissen auf falsche und teilweise finanziell höchst bedenkliche Wege. Wer sich auf das Ergebnis bei der Auswahl seiner BU verlässt, der hat gute Chancen, im Leistungsfall verlassen zu sein.
Ändern werden wir (als Makler, Berater, Vertreter) die Einschätzungen und Auffassungen der Stiftung und des “Beirates” sicher nicht, jedoch hoffe ich immer noch das es zu einem konstruktiven Gespräch kommt und sich zumindest bei zukünftigen “Analysen und Tests” etwas ändern wird, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Was tun als Kunde auf der Suche nach einer Absicherung gegen das Berufsunfähigkeitsrisiko:
Lesen, Lesen, Lesen und zwar nicht Tests, sondern Auswahlkriterien, Informationen zur BU und Formulierungen in Bedingungen. Damit erhalten Sie ein Grundverständnis, auch wenn dieses niemals alles abbilden kann, was wichtig ist. Im nächsten Schritt brauchen Sie einen Berater. Ob dieser nun Versicherungsvertreter, -makler oder -berater ist, das müssen Sie ganz für sich selbst entscheiden, jedoch kommen Sie ohne Hilfe und nur mit Zeitschriftentests (meist) nicht weiter.
Lassen Sie sich Zeit, auch wenn der Abschluss einer BU immer so früh als möglich erfolgen sollte, aber wägen Sie in Ruhe an und kommen dann zu einer fundierten Entscheidung. Viel Erfolg!
Vielen Dank für das Feedback, ich werde es an die Kollegen weitergeben.
Kurze formale Korrektur: ich bin nicht im Team Versicherungen und Recht, sondern übernehme in diesem Fall “nur” die Kommunikation in Abstimmung mit den Fachkollegen aus unserem Haus.
Und noch eine Anmerkung zu den Siegeln: Das ist eine falsche Milchmädchenrechnung. Die Lizenzvermarktung und -überwachung wird genau aus dem Grund der Unabhängigkeitswahrung nicht durch uns, sondern durch die gemeinnützige RAL gGmbH abgewickelt (die ja z.B. auch „Der Blaue Engel“ lizensieren). Im Vordergrund steht der Verbraucherschutz. D.h. ein Großteil der Einnahmen fließt direkt in die systematische Missbrauchskontrolle, welche die RAL durchführt. Dienstleister gehen durch Supermärkte, Drogerieketten und Baumärkte und kontrollieren, auch Werbung in Broschüren, Zeitungen, TV-Sendern, im Kino und im Internet wird überwacht – das ist sehr teuer, aber eben auch Sinn und Zweck des neuen Lizenzsystems.