Es ist schon beeindruckend, wie sich Gesellschaften manchmal verhalten und ich finde es erschreckend, wie hilflos auch Vermittler, die das PKV Geschäft nicht oder wenig machen, dem ausgeliefert sind. Mein aktuelles Thema, die Signal Krankenversicherung Risikovoranfrage. Ich frage mich ernsthaft, ob es überhaupt eine fähige Einschätzung gibt, oder einfach gewürfelt wird.
In einem meiner vergangenen Beiträge habe ich bereits geschrieben, wie wichtig gute und vor allem gut aufbereitete Risikovoranfragen sind und dass ich glaube, ein Gießkannenprinzip ist nicht zielführend. Auch habe ich neulich auf LinkedIn geschrieben, wie erst nach mehrfachen Vorstandsbeschwerden und nach einigen Monaten die Signal eine simple Umstellung eines Krankentagegeldes gelöst hat. Das kann es bitte alles nicht sein.
Schnelle Antwort, aber fragwürdige Einschätzungen
Ich trauere jetzt gar nicht den alten Zeiten hinterher, in denen die kleinen, aber sehr fachlich versierten Deutsche Ring Mitarbeiter auf extrem hohem Niveau Risiken einschätzen konnten. Schrader, Kruse und wie diese alle hießen, das war wunderbares Arbeiten.
Nun müssen wir alle mit Veränderungen leben und wir sind gewohnt, dass Risikoentscheidungen ganz unterschiedlich ausfallen. Da lehnt eine Gesellschaft ganz ab, eine andere nimmt einen Zuschlag und bei der nächsten passt das Risiko so in die Einschätzung.
Die Signal-Krankenversicherung Risikovoranfragen werden bekanntlich mit Aktuarmed eingeschätzt, also einem »recht automatisierten« System. Wer das übrigens noch nutzt und warum auch bei den anderen Gesellschaften teilweise aberwitzige Einschätzungen herauskommen, können Sie auf der Seite des Anbieters nachlesen. Dort gibt der Bearbeiter seine Erkenntnisse aus den Unterlagen an und es führt am Ende zu einer Einschätzung.
Automatisiert ist Mist, weil schlechte Eingabe = schlechte Einschätzung
Das Problem bei solchen automatisierten Systemen zur Risikoeinschätzung ist recht simpel. Gebe ich Mist ein, kommt Unsinn heraus. Was auch logisch ist, denn zum Beispiel ein Bluthochdruck ist eben nicht einfach ein Bluthochdruck. An einem Beispiel zeige ich hier also einmal detailliert, wie diese Einschätzung abgelaufen sein muss. Falls die Signal selbst hier liest, die Rivonummern (es sind zwei) gebe ich gern weiter.
Erste Anfrage. Risikounterlagen zur anonymen Voranfrage. Dabei lagen Unterlagen und Erklärungen bei, welche gleich waren.
Folgende Erkrankungen hat unser Kunde, oder hatte.
- Arterielle Hypertonie, 2017 festgestellt, Langzeitblutdruckmessung, eingestellt mit einer Blutdrucktablette, sondern aber im Normalbereich was Größe und Gewicht angeht, keine Herz-Kreislaufbeschwerden, keine anderen Einschränkungen.
- Oligoterazoospermie: Befund aus 2021 (bestätigt 2022), Erfolgreiche Kinderwunschbehandlung im ersten ICSI Zyklus erfolgte 2022 Kind geboren im Jahr 2022 und
- Exzision von Hautgewebe (aus GKV Quittung) Melanozytennävus entfernt, Histologie o.B.
- Brille wird getragen, mit folgenden Werten r: -1.75 / l: -2.75
Wir sehen also, einen 32 Jahre alten Patienten mit recht überschaubaren Risiken in der Gesundheitshistorie der letzten Jahre. Schauen wir uns nun einmal die Antworten an. Los geht es mit meiner Anfrage. An den Versicherer werden die Diagnose, weitere Behandlungsdaten und erläuterungen übermittelt. 15.11.2023, 12:36 Uhr Unterlagen an die Signal-Krankenversicherung. Folgende Antwort erhalte ich für meinen Kunden:
Risikozuschlag wegen Hypertonie, Melanozytnnävus und Oligoteratozoospermie:
*Exklusiv Plus0: 42% Zuschlag
*ESPRIT: 47% Zuschlag, Krankentagegeld *ESP VA 43 150: 55% *PVN ohne
Zudem muss ein Beitragszuschlag oder Leistungsausschluss für Sehhilfen und folgender Leistungsausschluss vereinbart werden: Fertilitätsstörungen / Sterilität sowie damit im Zusammenhang stehende Krankheiten und medizinische Maßnahmen zur Einleitung einer Schwangerschaft, wie z.B. Inseminationen, extrakorporale Befruchtungen und daraus resultierende Folgebehandlungen sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
16.11.2023, 97:36 Uhr, das ging fix, Einschätzung ist da
Etwas erschrocken über die Höhe der Zuschläge, bat ich meinen Maklerbetreuer bei der SIgnal, sich das einmal anzuschauen. Dann kam, kurze Zeit später der Hinweis (Danke Hr. B. für die Mühe), es wäre wohl ein Versehen gewesen, man habe etwas übersehen oder falsch bewertet, es sind nun folgende Zuschläge gültig:
Exklusiv-Plus 0: 25% Zuschlag
Esprit: 28% Zuschlag
Krankentagegeld ESP-VA: 45%
Alle anderen Einschränkungen zu Sehhilfen und dem Leistungsausschluss sind identisch.
Korrigierte Einschätzung, 16.11. um 10:36 Uhr
In Zahlen bedeutet das, statt 245 EUR Zuschlag, sollen es jetzt dann noch 146 EUR sein, also in den kommenden 40 Jahren mindestens einmal 48.000 EUR Unterschied.
Jetzt lässt sich lange darüber diskutieren, ob der Zuschlag aufgrund der potentiellen Folgeerkrankungen und weiterer Diagnostik in einem vertretbaren Rahmen ist, das soll gar nicht unser Thema hier heute sein. (auch andere Gesellschaften sehen das hier sehr kritisch und nehmen hohe Zuschläge).
Heute Morgen nun aber, dachte ich, ich traue meinen Augen nicht. Sie ahnen es, es gab eine neue Risikoeinschätzung, da das Risiko ein zweites Mal angelegt wurde und damit von jemand anderem bearbeitet wurde. Wäre aber eben auch so, wenn der Kunde bei einem anderen Kollegen angefragt hätte, die Anfrage über einen Maklerpool nochmals gestellt worden wäre oder dergleichen. Daher geht es hier nicht darum, dass und warum es eine zweite Einschätzung gab, sondern um das Ergebnis. Das sieht dann wie folgt aus.
EXKLUSIV-PLUS 0: 50 % Zuschlag
+ Beitragszuschlag für Sehhilfen alternativ Leistungsausschluss für Sehhilfen (Brillen/ Kontaktlinsen) und für Operationen zur Sehschärfenkorrektur (soweit versicherte und zukünftig versicherte Tarife diese Leistungsposition enthalten) einverstanden.
Esprit: 53 %
Krankentagegeld ESP-VA 43 120: 87 %
Außerdem gilt ein Leistungsausschluss aufgrund von Teratozoospermie: Fertilitätsstörungen / Sterilität sowie damit im Zusammenhang stehende Krankheiten und medizinische Maßnahmen zur Einleitung einer Schwangerschaft, wie z.B. Inseminationen, extrakorporale Befruchtungen und daraus resultierende Folgebehandlungen sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
Signal Krankenversicherung, Risikovoranfrage – wir würfeln
Was mich hieran gewaltig stört, ist die Tatsache, dass es anscheinend trotz oder gerade bei einem automatisierten System so unterschiedliche Einschätzungen gibt. Wir sprechen hier auch nicht von einigen wenigen Euro, sondern tausende über die Laufzeit.
Klar ergibt sich hier aus den Risikoangaben der Bedarf eines Zuschlages und klar muss auch sein, dieser enthält nicht nur die Mehrkosten für das Medikament Ramipril. Die Kosten belaufen sich hier auf einen recht überschaubaren Betrag von ca. zehn Euro pro Monat. Aber hier hängt viel mehr dran, wie ich in einem anderen Beitrag zu Risikozuschlägen schon beschrieb.
- Risikozuschlag – wer versichert mich denn ohne? oder auch
- Warum zahle ich einen Risikozuschlag, ich habe doch fast nichts
Dazu schauen Sie sich gern einfach einmal in den Nebenwirkungen des Medikamentes um, und lesen meine Beiträge aus der Serie #waskosteteigentlich.
Was können Sie tun?
Zunächst bleibt es dabei. Eine anonyme Risikovoranfrage muss sein. Nur so lassen sich Risiken einschätzen, Unterlagen weiter besorgen und ggf. auch passende Einscheidungen diskutieren. Auch ist es elementar wichtig, alle Gesundheitsangaben genau aufzubereiten und sich hier klar zu sein, gesundheitliche Beschwerden in der Vergangenheit und aktuell kosten Zuschläge. Das ist überall so und muss auch so sein, nur so lassen sich Tarife sauber kalkulieren.
Sie können aber etwas tun. Schildern Sie, gemeinsam mit Ihrem spezialisierten Vermittler/ Berater, die Gesundheitshistorie genau. Bereiten Sie Unterlagen sauber und vollständig auf und erklären Sie auch begleitende Umstände.
Nur wenn Ihr Vermittler in der Lage ist, dieses auch bewerten zu können und Erfahrungen in diesem Bereich hat, nur dann ist es auch möglich, einen passenden und auf Sie abgestimmten Risikozuschlag zu zahlen.
Update (22-11-2023)
Ich hatte gestern ein sehr freundliches und spannendes Gespräch mit dem Leiter Underwriting der Signal. Zudem freue ich mich ja sehr, dass man meinen Blog liest und sich dann auch mit den Fällen beschäftigt. Das »Problem« liegt hier, oder sitzt, vor dem Rechner. Wie so oft. Das Risikotool Aktuar Med kann und bewertet nur das, was diesem eingegeben wird.
Das wiederum hat zur Folge, Aktuar Med meint, die Entfernung mit der Diagnose Melanozytennävus ist kritisch, weil diese auch im eigenen Bestand zu hohen Kosten geführt hat. Das wirkt sich direkt aus. Klar könnte man nun in den Antrag »Leberfleck oder Muttermalentfernung« schreiben. Das ist aber eben nicht das, was in der Krankenakte oder der GKV Patientenquittung steht.
Vereinfacht gesagt, die Kunden und Vermittler, die es (sehr) genau machen, werden damit bestraft. Das lässt sich nur lösen, wenn Mitarbeiter noch besser geschult werden und solche Abweichungen erkennen. Das ist hier nur bei einer der drei Einschätzungen passiert.
Aber, Danke für die Kontaktaufnahme und den Austausch, nur so lassen sich die Abläufe auch verbessern, wenn kritisch mit allen Beteiligten drauf geschaut wird.