wenn die Krankschreibung schadet
Schnell ist es gesagt. Ich bin erschöpft, überlastet, brauche mal Ruhe und der Arzt nutzt eine psychische Diagnose für die Krankschreibung, eine F-Diagnose. Eine psychische Diagnose, PKV und BU verhindert einen Abschluss.
Viele werden die Situation kennen. Da wacht man morgens auf und stellt mit Erschrecken fest, man ist auf die Prüfung nicht vorbereitet, hat keine Lust, keine Zeit, es gibt Stress bei dem Arbeitgeber und dann macht „man eben krank“. Nun kann man im Studium Prüfungen schlecht verschieben, will man nicht, dass diese als nicht bestanden gelten. Einige Studenten greifen dann zu einem vermeintlichen „Trick“. Sie suchen sich einen Arzt, der ihnen kurzfristig attestiert, nicht in der Lage zu sein, an diesem Tag die Prüfung zu schreiben.
Einmal „blau machen“, nicht zur Prüfung wollen, nur mal schnell krankschreiben lassen?
Aber auch auf andere Personengruppen trifft das zu. Wer sich schon einmal hat krankschreiben lassen, obwohl er vielleicht gar nicht so richtig krank war, der weiß was ich meine. Jetzt kann man lange darüber diskutieren, wie moralisch richtig und verwerflich das ist. Das soll aber nicht unser Thema sein.
psychische Diagnose, PKV und BU und gar nicht krank?
Heute geht es hier um die Frage, wie mit so einer Krankschreibung umzugehen ist, gerade dann, wenn es psychische oder psychosomatische Diagnosen betrifft. Eine Anfrage aus dem Live Chat in den letzten Wochen nehme ich einmal als Anlass, um dieses Thema etwas genauer zu beleuchten. Im Detail begann die Anfrage wie folgt:
Guten Morgen, ich habe mich als Student einmal im Jahr 2015 und einmal im Jahr 2016 krankschreiben lassen ohne das ich wirklich krank war. Grund hierfür war, dass ich zu wenig gelernt hatte. Dies wurde abgerechnet als F40- sonstige phobische Störungen. Nun habe ich die Möglichkeit ins Beamtenverhältnis übernommen zu werden. Meine erste Recherche hat ergeben, dass das ein Problem bei der PKV ist. Lohnt sich hier überhaupt eine Voranfrage? Sonst habe ich den letzten 5 Jahren zwei grippale Infekte gehabt.
Hier beginnt auch das Problem, denn die private Krankenversicherung kann natürlich nicht hinter die Kulissen schauen und sieht und glaubt daher die Angaben, die sich in der Krankenakte oder in der Patientenquittung befinden. Was genau da drin steht, das bekommen Sie selbst heraus, indem Sie einmal eine solche Akte anfordern. In vielen Beiträgen erkläre ich, wie Sie die Krankenakte beim Arzt bekommen, was Sie tun können, falls die Praxis geschlossen ist und der Arzt nicht mehr erreichbar und ebenfalls wie Sie eine solche Patienten Quittung bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse anfordern können.
- Krankenakte anfordern
- Krankenakte von einer geschlossenen Praxis?
- Musterformulare zur Anforderung von Krankenakten
Das sollte immer der erste Schritt sein, denn hier finden Sie eine detaillierte Auflistung über die dort abgerechneten Behandlungen und auch den Hinweis, welche Ärzte, Ärztezentren oder Krankenhäusern eine entsprechende Abrechnung getätigt haben. Mit dieser Information können Sie dann gezielt weiter vorgehen und sich die medizinischen Unterlagen bei den jeweiligen Behandlern besorgen.
PKV – psychische Diagnose – Behandlungsdaten müssen besorgt werden
Doch zurück zu unserem Thema mit den Diagnosen, die gar keine „echten“ Diagnosen waren. Egal ob es jetzt eine der psychischen Diagnosen. (alles, was in der. ICD Diagnostik mit F beginnt) waren oder aber eine andere Diagnose, welche gar nicht stattgefunden hat. Der Arzt hat versucht, sie krankzuschreiben und sich dafür eine möglichst plausible Begründung überlegt. Leider nutzen Ärzte dafür oftmals psychische und psychosomatische Diagnosen, denn diese sind am schwierigsten nachzuvollziehen.
Kaum jemand wird Wochen, Monate oder Jahre später belegen oder gar beweisen können, dass sie eine solche psychische oder psychosomatische Erkrankung oder Störung nicht hatten. Kaum jemand wird aber auch beweisen können, dass sie diese hatten. Aus diesem Grund ergibt sich daraus ein größeres Problem bei der Beantragung einer privaten Krankenversicherung, einer Zusatzversicherung oder aber einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Nichts verschweigen, nichts beschönigen
All diese Versicherer stellen Gesundheitsfragen und versuchen zu klären, wie der gesundheitliche Zustand vor Antragstellung aussieht. Findet der Versicherer nun in den Unterlagen psychische oder psychosomatische Erkrankungen, Diagnosen, Störungen, so wird er mit etwas Vorsicht auf die Angelegenheit blicken und einen Antrag vielleicht ablehnen. Für Versicherte, die Beamte werden und damit ein Restkostenversicherung brauchen, gibt es zur Not immer noch die Möglichkeit der Öffnungsaktion. In dieser Aktion haben sich viele Versicherer verpflichtet, Sie trotzdem zu versichern, auch wenn sie sie sonst eigentlich ablehnen würden. Hier werden Zuschläge bis maximal 30 % vereinbart und die Tarifauswahl ist eingeschränkt.
Für Angestellte oder Selbstständige gibt es diese Möglichkeit aber nicht. Doch Stopp! Denn generell gilt es in beiden Fällen sorgfältig die Unterlagen aufzuarbeiten und vielleicht eine andere Annahmemöglichkeit zu finden. Öffnungsaktion ist auch bei Beamten immer die letzte Lösung, wenn nichts anderes geht. Gerade mit psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen müssen wir diese noch etwas genauer aufarbeiten und detaillierter erklären. Klar, und das kann man sehr deutlich und umfassend sagen, mit einer derzeit noch laufenden Behandlung, einer laufenden medikamentösen Therapie oder einer aktuell noch nicht abgeschlossenen Psychotherapie ist die Aufnahme nahezu unmöglich. Auch hier gilt die Ausnahme bei Erstverbeamtung mit 30 % Zuschlag.
Beamte können über die Öffnungsaktion dennoch versichert werden
Liegt aber eine solche Diagnose länger zurück und hat vielleicht sogar zu keinen Behandlungen geführt und auch keine psychotherapeutischen Sitzungen nach sich gezogen, so ist diese nicht sofort ein K.O. Kriterium für den Antrag. Dabei ist es egal, ob es sich um einen Selbständigen, Freiberufler, Arbeitnehmer oder einen Beamten handelt. Hier gilt aber insbesondere, dass diese Erkenntnis über die Diagnose sorgfältig aufgearbeitet werden muss.
Eines meiner Highlights ist eine solche psychosomatische Diagnose, welche ein Augenarzt gestellt hat. Plötzlich tauchte in der Patientenquittung bei einer augenärztlichen Routineuntersuchung eine psychosomatische Störung auf.
Diese muss ebenfalls erklärt werden. Wenn Sie bereits wissen, dass Sie eine solche Diagnose nur bekommen haben, um eine Krankschreibung zu haben, dann ist das natürlich moralisch nicht in Ordnung, auf der anderen Seite wird man Sie auch nicht die nächsten Jahre dafür bestrafen. Denn es wäre auf der einen Seite richtig, für Vorerkrankungen Risikozuschläge zu nehmen, auf der anderen Seite aber natürlich auch nicht ganz fair Ihnen gegenüber, wegen einem Fehler während des Studiums oder einmal bei einer Krankschreibung, Sie die nächsten Jahre und Jahrzehnte hohe Risikozuschläge zahlen zu lassen.
Wie geht es nun weiter und wie bekommt man diese Situation geklärt?
Zunächst einmal geht es darum, offen und ehrlich damit umzugehen. Versuchen Sie bitte nicht, eine solche Diagnose unter den Tisch fallen zu lassen, oder weil Ihnen der Berater sagt: „Da war ja gar nichts, und Sie sind ja gar nicht behandelt worden.“, diese nicht anzugeben. Glauben Sie mir, im Falle einer Prüfung der vertraglichen Anzeigepflicht sitzen Sie auf einem Pulverfass und der Versicherer wird im schlimmsten Fall seine Möglichkeit für einen Rücktritt oder eine Kündigung nutzen. Ich habe vor einiger Zeit in mehreren Versicherungsfällen bei der ARAG solche Sachen erlebt.
In meinem anderen Beitrag finden Sie dazu noch einige detaillierte Ausführungen. Was können Sie tun, um trotzdem versichert zu werden? Zum einen sammeln Sie die genauen Diagnosen. Fordern Sie die Patientenquittung und die Arztakte(n) an und schauen Sie nach der genauen ICD Diagnose. Diese ist wichtig und muss er- und geklärt werden. Weiterhin beantworten Sie für sich selbst zunächst einmal schon folgende Fragen.
- Gab es nur die Krankschreibung oder gab es auch andere Behandlungen?
- Hat der Arzt Ihnen Medikamente verschrieben?
- Wurden Sie an einen Neurologen, Psychotherapeuten oder Psychiater überwiesen?
- Falls 3.) mit ja, haben Sie dort ebenfalls Behandlungen in Anspruch genommen.
- Gab es psychotherapeutische Sitzungen?
- Wurden Medikamente, die verschrieben wurden, auch genommen oder haben sie einfach das Rezept mitgenommen und nicht abgeholt? Oder abgeholte Medikamente gar nicht erst genommen?
Dieses Prozedere erweist sich nicht nur bei psychosomatischen oder psychischen Diagnosen als hilfreich, sondern auch bei anderen schwer greifbaren Erkrankungen wie Schlafstörungen, Reizdarm oder schnell aufgeschriebenen Diagnosen für eine Krankschreibung. Damit Ihnen das zukünftig gar nicht erst oder nicht noch einmal passiert, sollten Sie sich gut überlegen, ob Sie sich krankschreiben lassen, wenn Sie nicht krank sind. Und bei unklaren Beschwerden sollten zumindest korrekte Diagnosen auf der Krankschreibung stehen und nicht etwas, was besser klingt.
Natürlich will ich die Schuld gar nicht immer den Ärzten zuschieben. Dort sitzt ein Patient, der einen schlechten Gesamtzustand und seine Beschwerden beschreibt. Er kann sich vielleicht nicht konzentrieren, ist übermüdet, hat schlecht geschlafen. Schnell ergibt sich daraus eine solche psychosomatische F-Diagnose. Doch die wenigsten sind sich über die Tragweite solcher Diagnosen im Klaren. Dass sie sich am Ende viel mehr selbst schaden, als sie sich in diesem einen speziellen Fall geholfen haben, wird vielen erst später klar.
PKV – Psychische Diagnose – Vorsicht ist besser!
Denken Sie bei einer Krankschreibung genau über die möglichen Folgen nach. Wenn Sie krank sind, lassen Sie sich behandeln und krankschreiben. Wenn Sie nicht krank sind, versuchen Sie nicht, eine Krankheitsdiagnose vorzuschieben.
Durch die Dokumentation in ihrer Krankenakte oder der Abrechnung in der Patientenquittung der gesetzlichen Krankenkasse bleibt Ihnen diese In den nächsten Jahren erhalten. Auch selbst bezahlte Rechnungen und Atteste sind hier relevant. Es bedeutet unter Umständen ein Hindernis oder hohe Zuschläge für den Abschluss von weiteren Versicherungen mit Gesundheitsfragen.
In diesem konkreten Fall aus dem Live Chat ist zu sagen, dass sich eine solche einmalige Diagnose ohne weitere Behandlung und Beschwerden, ohne Medikamente und Folgen, recht problemlos erklären lässt, wenn Sie damit offen umgehen. Hier sehe ich also kein großes Risiko, den Interessenten nicht versichert zu bekommen. Dennoch sollte man sich der Gefahr bewusst sein.
Sicher denken Sie bei der kommenden Krankschreibung direkt an diesen Artikel.