Zur Verbesserung des Images und der Wettbewerbsposition gegenüber der GKV erarbeitete eine Arbeitsgruppe des PKV-Verbandes Kriterien für die Private Krankenversicherung. Eine Arbeitsgruppe des PKV-Verbandes hat Kriterien für einen Mindestleistungsumfang in der Vollversicherung erarbeitet. Damit wollen die privaten Krankenversicherungen ihr Image und ihre Wettbewerbsposition zur gesetzlichen Krankenversicherung verbessern. Den Inhalt der Empfehlung erläutert und kommentiert Versicherungsmakler Sven Hennig.
Die in Teilbereichen schlechtere Leistung der privaten Krankenversicherung (PKV) im Vergleich zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist immer wieder und in den letzten Wochen und Monaten häufiger in den Medien diskutiert worden. Das schadet nicht nur einem Unternehmen, sondern dem Ruf der ganzen Branche.
Nicht nur die Verbraucherschützer, sondern auch die GKV nutzen diese Minderleistungen für die Kampagnen gegen die private Krankenversicherung. Es wurde auch schon nach dem Gesetzgeber gerufen, der den PKV-Anbietern einen Mindest-Leistungsumfang vorschreiben solle.
Eigeninitiative soll dem Gesetzgeber vorbeugen
Um zu verhindern, das die Bundesregierung regulierend eingreift und eine Grundleistung für alle Anbieter und Tarife vorschreibt, hat der PKV-Verband im Frühjahr diesen Jahres eine Arbeitsgruppe gegründet. Diese erarbeitete Kriterien, welche sich als Mindestleistungen eignen sollten und welche im Rahmen der Unisextarife umgesetzt werden könnten. Schon im Juni hat die Arbeitsgruppe ihr Ergebnis verabschiedet. Die Empfehlungen umfassen die Leistungsbereiche ambulante Psychotherapie, Hilfsmittel und Entwöhnungsbehandlungen.
Ambulante Psychotherapie bis zu 50 Sitzungen
Für den Leistungsbereich ambulante Psychotherapie formuliert der PKV-Verband den Mindestleistungsumfang so:
„Versicherte haben Anspruch auf Kostenerstattung für ambulante Psychotherapie (mindestens 50 Sitzungen pro Jahr) durch entsprechend qualifizierte Ärzte und psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten. Der Versicherer kann diesen von einer vorherigen schriftlichen Leistungszusage abhängig machen.“
Dem Versicherer bleibt es unbenommen, eine Eigenbeteiligung von bis zu 30 Prozent zu vereinbaren und die Leistung generell von einer schriftlichen Zusage abhängig zu machen. Gleichzeitig weist die Arbeitsgruppe aber darauf hin, dass die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung zur Aufweichung der Leistung und somit Verhinderung der Angleichung an die GKV beiträgt. Auch mit der neuen Regelung reicht die PKV nicht an die Versorgung in der gesetzlichen Krankenkasse heran, schafft aber eine Grundleistung, die der Versicherer verbessern kann.
Für gesetzlich Versicherte gelten keine Höchstgrenzen im eigentlichen Sinne, vielmehr sind Richtgrößen vorhanden, welche abhängig von der Therapieform zwischen 45 und 160 Stunden liegen. Das Ende der Leistung tritt bei einem GKV-Versicherten aber erst bei 300 Stunden analytischer Psychotherapie, 100 Stunden tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie oder 80 Stunden Verhaltenstherapie ein.
Hilfsmittelkatalog soll offen sein
Für die Mitversicherung von Hilfsmitteln soll nach der Empfehlung der Arbeitsgruppe ein offener Katalog gelten:
„Versicherte haben Anspruch auf Kostenerstattung für Hilfsmittel in Standardausführung bzw. einfacher Ausführung. Als Hilfsmittel gelten technische Mittel und Körperersatzstücke, die Behinderungen, Krankheits- oder Unfallfolgen mildern oder ausgleichen sowie lebenserhaltende Hilfsmittel. Hierzu zählen nicht Pflegehilfsmittel, deren Kosten die Pflegeversicherung zu erstatten hat.“
Der gesetzlich Versicherte bekommt das Hilfsmittel erstattet, solange es vom Vertragsarzt verordnet und im GKV Hilfsmittelverzeichnis enthalten ist. Aber auch nicht genannte Hilfsmittel sind bei medizinischer Notwenigkeit und nach vorheriger Zusage erstattungsfähig. In der PKV hingegen sind in vielen Tarifen geschlossene Kataloge vorhanden, teilweise mit offenen Formulierungen bei lebenserhaltenden Hilfsmitteln oder Körperersatzstücken. Dieses wird nach Ansicht des Ausschusses dem Wunsch nach versicherter medizinischer Innovation nicht gerecht. Aus diesem Grund wird die Einführung einer offenen Formulierung empfohlen.
Analog zur Versorgung in der GKV werden auch in den Mindestkriterien Leistungen für Hilfsmittel ausgeschlossen, welche einen „geringen therapeutischen Nutzen haben.“
Leistungen können dennoch begrenzt werden
Dennoch hat der einzelne Versicherer Möglichkeiten der Leistungsbegrenzung. Die Bedingungen können Vorgaben zur Bezugsquelle (Kauf bei dem Versicherer) oder Höchstbeträge für einzelne Hilfsmittel enthalten. Eine Begrenzung auf eine funktionelle Standardausführung oder eine einfache Ausführung ist ebenfalls möglich. Eine preisliche Begrenzung auf Höchstgrenzen für einzelne Hilfsmittel ist zulässig, wogegen der Verband ausdrücklich den Einschluss von Reparatur- und Wartungskosten empfiehlt.
Der heutige Patient in der gesetzlichen Krankenkasse bekommt hingegen nur die „Aufwendungen bis zur Höhe eines der drei preisgünstigsten Hilfsmitteln“ erstattet oder ist auf Festbeträge (zum Beispiel bei Hörhilfen, Einlagen, Inkontinenzartikel, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie) begrenzt.
Hilfsmittel mit „Gebrauchsgegenstandsanteil“ (zum Beispiel orthopädische Schuhe) sind Eigenanteile vorgesehen und zu entrichten. Hier kann der Versicherer in seinen Tarifen mittels Eigenbeteiligung vergleichbare Lösungen herstellen.
Erstaunlich ist in dem internen Papier die Aussage, dass die Öffnung eines geschlossenen Kataloges in den Normaltarifen nur zu einer Steigerung der Beiträge von einem Prozent führe.
Suchtbehandlung verbessert
Zum Bereich Suchtbehandlung empfiehlt die PKV-Arbeitgruppe diesen Leistungsumfang:
„Versicherte haben während der Vertragslaufzeit einen Anspruch auf Kostenerstattung für insgesamt drei ambulante oder stationäre Entwöhnungsbehandlungen bei Suchterkrankungen in entsprechend qualifizierten Einrichtungen, soweit kein anderer Kostenträger leistungspflichtig ist. Die Nikotinsucht kann analog der gesetzlichen Regelungen in der GKV davon ausgenommen werden. Voraussetzung für den Erstattungsanspruch ist die schriftliche Leistungszusage des Versicherers vor Behandlungsbeginn. Es kann eine gesonderte Eigenbeteiligung von bis zu 30 Prozent vorgesehen werden.“
In der privaten Krankenversicherung sollen damit zukünftig auch (mindestens) drei ambulante oder stationäre Entwöhnungsbehandlungen enthalten sein. Dabei legt der Arbeitskreis Wert darauf, diese Behandlung in entsprechend qualifizierten Zentren durchzuführen und eine Selbstbeteiligung bis zu 30 Prozent zuzulassen. Für weiter versicherte Leistungsarten (Krankentagegeld und Krankenhaustagegeld) gilt diese Mindestempfehlung jedoch nicht. Auch steht es dem Versicherer frei, die Leistungen auf Regelleistungen (Mehrbettzimmer oder Chefarzt) zu begrenzen.
So leistet die GKV
Wer heute von seiner gesetzlichen Krankenkasse eine Erstattung für eine ambulante Entwöhnung erwartet, der muss zwingend folgende Voraussetzungen erfüllen: Der Behandlungserfolg kann mit „normalen“ ärztlichen Leistungen nicht erreicht werden, die Einrichtung hat einen Versorgungsvertrag mit der GKV und auch hier muss eine schriftliche Leistungszusage vorliegen. Diese bestimmt Dauer, Art und Umfang der Behandlung und den Beginn der Behandlung. Der Anspruch ist begrenzt auf 20 Behandlungstage und kann nur alle vier Jahre erneut geltend gemacht werden, so eine Verlängerung nicht aus medizinischen Gründen zwingend erforderlich ist. Anders als in der geplanten PKV-Lösung sind hier aber auch Kosten der Reha-Nachsorge (20+2 Therapieeinheiten bis zu 48,40 EUR je Sitzung) enthalten.
Kosten für eine stationäre Entwöhnung werden nur dann erstattet, wenn die ambulanten Maßnahmen nicht ausreichen und auch hier eine Versorgung in einer Einrichtung mit Versorgungsvertrag zur GKV durchgeführt wird. Neben der erforderlichen, schriftlichen Leistungszusage ist auch hier der Anspruch begrenzt. Maximal drei Wochen (es sei denn zwingende medizinische Gründe erfordern eine Verlängerung) und eine erneute Leistung erst nach vier Jahren grenzen die Leistung ein. Erstattet werden hier neben den Kosten der Behandlung auch die Unterkunft, Verpflegung und die Fahrtkosten.
Vergleicht man beide Leistungen bleibt eine Annäherung festzustellen, wenngleich die in den Mindestkriterien getroffene Regelung „maximal drei Behandlungen während der Vertragslaufzeit“ hinter der Regelung der GKV „alle vier Jahre erneut“ deutlich zurück bleibt.
Verbandsmitglieder sind sich nicht einig
Auch wenn es sich bei den Mindestkriterien nur um wenige Teilbereiche handelt, so herrscht selbst hier keine hundertprozentige Einigkeit der Verbandsmitglieder. So sieht die Continentale Krankenversicherung die Notwenigkeit der ambulanten Psychotherapie nicht. Der Versicherer hält die Mindestanzahl von Sitzungen für ungeeignet und schlug vor, ausschließlich das generelle Vorhandensein der Leistung „ambulante Psychotherapie“ in den Mindestkriterien zu berücksichtigen. Auch hier wird deutlich, dass es schon bei „wenigen“ Mitgliedsunternehmen nicht einfach ist, sich auf einen gemeinsamen Mindeststandard zu einigen.
Ein Schritt in die richtige Richtung
Die empfohlenen Mindestkriterien sind ein Anfang, keineswegs aber eine endgültige Lösung. Ob die Branche Mindestkriterien benötigt hängt auch davon ab, ob die Unternehmen allein in der Lage sind, elementare Leistungen in die Bedingungen zu integrieren. Ob sich ein Unternehmen einen Gefallen mit der Hilfsmittelformulierung „einfache Ausführung“ tut, mag dahingestellt bleiben. Bereits in der Vergangenheit haben sich Gerichte hier auf die Seite der Versicherten geschlagen und so die Continentale zu einer nachträglichen Leistung verurteilt.
Es bleibt abzuwarten, welche Unternehmen diese Empfehlungen auch umsetzen, denn eine Verpflichtung gibt es dazu nicht. Bereits heute ist klar, dass es keine hundertprozentige Umsetzung geben wird und gerade Unternehmen die in der Vergangenheit auf der „Billigschiene“ unterwegs waren, die werden sich schwer tun mit höheren und somit kostenintensiveren Leistungen.
Unterschreiten des Standards schwer zu argumentieren
Durch die nun beschlossenen Mindestkriterien liegt den PKV-Unternehmen eine verbindliche Meinung ihres Verbandes vor, welche elementare Grundleistungen festschreiben und als untere Grenze der Versorgung ansehen. Ob und wie die Unternehmen jedoch in ihre Tarife einführen oder weiter bei bisherigen Regelungen bleiben, das bleibt jedem Versicherer selbst überlassen. Für den Berater und Vermittler eines PKV Produktes wird es in Zukunft schon aus Haftungsgründen schwer zu argumentieren sein, einen Tarif zu empfehlen, der die Mindestkriterien nicht erfüllt. Bei einer fehlenden Leistung wird ein Richter im Zweifel berechtigt nachfragen, warum eine solche Empfehlung erfolgt ist.
Hinweis: Dieser Beitrag findet sich auch als Artikel im Versicherungsjournal vom 08. 11. 2012