Die Frage ob und vorallem wann jemand krank ist, ist gerade in der Krankentagegeldversicherung wichtig. Diese sichert den Verdienstausfall des Versicherten im Falle der Arbeitsunfähigkeit ab. Daher ist diese nicht nur zwingend notwendig um die laufenden Kosten zu bezahlen, oftmals hängt davon auch die Bezahlbarkeit der Privaten Krankenversicherung ab und somit die weitere Inanspruchnahme der Leistungen.
Ob Mobbing am Arbeitsplatz aber nun eine Krankheit im Sinne der Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung (MBKT) ist, damit beschäftigte sich der Bundesgerichtshof. Doch was genau war passiert?
Der Versicherte hatte bei der Gesellschaft eine Krankentagegeldversicherung nach den MB KT 94 abgeschlossen und wollte damit seinen Verdienstausfall als Folge von Unfällen und Krankheiten absichern. Der Projektleiter für Brandschutzanlagen befand sich längere Zeit in ärztlicher Behandlung. Grund dafür war eine Mobbinsituation in seiner damaligen Firma. Nachdem sich der Kläger einem solchen Mobbing an seinem Arbeitsplatz ausgesetzt war, war dieser krank geschrieben worden und der Versicherer zahlte auch einige Zeit das versicherte Krankentagegeld aus.
Dann jedoch wollte der Versicherer nicht mehr zahlen. Da es sich um keine Krankheit, sondern um eine “konfliktbedingte Arbeitsplatzunverträglichkeit” handelt, begründe diese keinen Anspruch auf Krankentagegeld. Schon das Berufungsgericht hatte jedoch einen solchen Zustand bejaht. Nach medizinischem Befund habe der Versicherte “seine berufliche Tätigkeit in dieser konkreten Ausgestaltung in keiner Weise ausüben können, was auf die Mobbinsituation am Arbeitsplatz zurückzuführen sei.”
Dieser Auffassung folgt auch der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil Az. ZR 137/08 vom 09. 03. 2011. Grund für diese Auffassung ist laut Senat:
“In der Krankentagegeldversicherung setzt der Eintritt des Versicherungsfalls neben der medizinisch notwenigen Heilbehandlung eine in deren Verlauf ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit voraus. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person ihre Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht.”
Dabei ist immer die konkrete berufliche Tätigkeit zu berücksichtigen, genau so wie diese tatsächlich ausgeübt wurde. Es ist nicht an die allgemeinen beruflichen Möglichkeiten anzuknüpfen, sondern an die genaue Tätigkeit des Versicherten. Eine Verweisbarkeit auf so genannte “Vergleichsberufe” oder “gar auf sonstige, auf dem Arbeitsmarkt angebotene Erwerbstätigkeiten” steht dem Versicherer nicht zu. Im Leistungsfall ist daher konkret zu vergleichen, ob die noch “verbliebene Leistungsfähigkeit im Vergleich zu der Leistungsfähigkeit, die für die bis zur Erkrankung konkret ausgeübte Tätigkeit erforderlich” war, noch möglich ist.
Auch einen Wechsel des Arbeitsplatzes oder arbeitsrechtliche Schritte gegen seinen Arbeitgeber (wegen des Mobbings) kann der Versicherer hier nicht verlangen. Dabei ist es unerheblich bzw. gilt auch dann, wenn sich der Versicherte einer tatsächlichen oder auch nur von ihm als solcher empfundenen Mobbingsituation ausgesetzt fühlt und hierdurch aufgrund von psychischen und/ oder physischen Beschwerden die Tätigkeit nicht mehr ausüben kann.
Die Arbeitsunfähigkeit entfällt also nicht deshalb, weil der Versicherte bei Bereinigung der Konfliktsituation an seinem konkreten Arbeitsplatz oder durch Wechsel seines Arbeitsplatzes arbeitsfähig wäre. Auf die Möglichkeiten des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechts kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass der Versicherte aufgrund seiner Erkrankung seiner bisher ausgeübten Tätigkeit nicht nachgehen kann. Bei einem weitergehenden Verständnis des Begriffs der beruflichen Tätigkeit wäre der Versicherte zu einem Arbeitsplatzwechsel gehalten, der ihm aber auch als Obliegenheit in den Versicherungsbedingungen nicht abverlangt wird.
Offen lässt der BGH aber die Frage, ob eine solche Obliegenheit denn möglich wäre und wie die genaue Betrachtung dann aussehen würde. Daher ist diese Möglichkeit ggf. einem Versicherer durchaus gegeben. Auch hierbei wird wieder deutlich: Der Bundesgerichtshof versetzt sich immer wieder in die Lage des Versicherten und sieht genau das, was der Versicherte den Bedingungen als Laie auch entnehmen kann. Dazu heißt es daher auch weiter:
Aus §1 (2) und (3) MB/KT ergibt sich nicht, dass es auf die Ursache der Krankheit die zur Arbeitsunfähigkeit führt, ankommen soll.
und weiter…
Der Begriff “berufliche Tätigkeit” lässt in den Versicherungsbedingungen für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch nicht offen, ob darunter die konkrete Tätigkeit der versicherten Person an einem konkreten Arbeitsplatz oder nur ein allgemeines Berufsbild zu verstehen ist. Vielmehr wird er unter beruflicher Tätigkeit seine spezifische Tätigkeit verstehen und annehmen, dass damit auch sein Arbeitsplatz bei seinem bisherigen Arbeitgeber gemeint ist.
Der Zweck der Krankentagegeldversicherung ist bekanntlich der Ausgleich des vorübergehenden Einkommensverlustes durch Krankheit oder Unfall. Die Arbeitskraft fällt aber in dieser Mobbingsituation auch aus. Der Versicherer kann nicht vom Versicherten verlangen “er müsse zunächst versuchen, die Ursache seiner Erkrankung (zu) beseitigen”
Anders sieht es aber bei der Änderung der Arbeitsunfähigkeit in eine Berufsunfähigkeit aus. Hier ist es besonders wichtig, einen geregelten Übergang vom Krankentagegeld zur Berufsunfähigkeit zu haben, da die Ansichten der Versicherer sonst unterschiedlich sein können. Dabei kann es durchaus passieren, dass der Krankentagegeldversicherer wegen angenommener Berufsunfähigkeit nicht mehr zahlt, der Berufsunfähigkeitsversicherer aber wegen (angenommener) Arbeitsunfähigkeit noch nicht zahlt.
Diese Lücke gilt es zu schließen, welches durch verbindliche vertragliche Regelungen geschehen muss. Auch oder gerade wenn Sie schon PKV und/ oder BU versichert sind, ist dieses Risiko meist nicht bedacht. Daher klären Sie es bitte dringend, um im Leistungsfall- dann ist es zu spät- nicht ohne Einkommen da zu stehen.
Weitere Informationen:
Artikel zum Thema “Übergang Krankentaggeld und Berufsunfähigkeit”