In der täglichen Praxis begegnen einem immer einmal wieder recht interessante Fragen, die nicht nur für den Einzelnen sondern oftmals für alle interessant sind. Eine solche Frage habe ich heute per E-Mail erhalten, diese betrifft die Frage: „Was gehört eigentlich alles zum Nettoeinkommen in der privaten Krankentagegeldversicherung?” Denn in der Frage der Absicherung des Tagegeldes gibt es völlig unterschiedliche Auffassungen. Die wenigsten Versicherer habe in deren Bedingungen klare Regelungen dafür getroffen, welche Bestandteile (Gehalts- oder sonstiger Einkommensbestandteile) tatsächlich zum Einkommen gehören. Das führt in der Praxis leider dazu, dass im Leistungsfall der Versicherer berechtigterweise prüft ob das versicherte Krankentagegeld das „Nettoeinkommen“ überschreitet und somit gegebenenfalls eine Überversicherung vorliegt.
Sinn und Zweck der Krankentagegeldversicherung
Die Krankentagegeldversicherung hat den Zweck, das wegfallende Einkommen im Falle der versicherten Arbeitsunfähigkeit zu ersetzen. Grundlage für die Absicherung sind die Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung (MB/KT). Aus rechtlicher Sicht handelt es sich bei der Krankentagegeldversicherung um eine so genannte Summenversicherung. Das hat in der Praxis zur Folge, dass nicht der Ersatz eines Schadens (konkreter Ausfall) sondern eine (versicherte) Summe im leistungsfrei zu ersetzen ist. Dennoch soll natürlich im Leistungsfall nicht mehr Geld zur Verfügung stehen, als der Versicherte vorher-zu gesunden Tagen- aus seiner Arbeitstätigkeit als Einkommen zur Verfügung stand. Deshalb finden sich in den Bedingungen entsprechende Regelungen zur maximalen Höhe der Versicherungsleistung, aber auch zur möglichen Herabsetzung durch den Versicherer.
Berechnung des Nettoeinkommens
In den meisten Anträgen zur Krankentagegeldversicherung finden sich Regelungen, welche eine Überversicherung vermeiden sollen. So heißt es beispielsweise in dem Antrag der Comcordia Krankenversicherung:
Für die Krankentagegeldversicherung bestätige ich, dass der gewünschte Tagessatz auch unter Berücksichtigung bestehender oder beantragter Versicherungen mein durchschnittliches Nettoeinkommen nicht übersteigt und, soweit ein Anstellungsverhältnis besteht, die gewählte Karenzzeit der Dauer der Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall entspricht. Dabei können Beitragsaufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie für die gesetzliche Rentenversicherung mit berücksichtigt werden.
Hierbei stellt der Versicherer klar, wo er die maximal versicherbare Höhe des KT für den Kunden sieht. Diese Regelung hier in unserem Beispielfall ist schon besser als bei einigen anderen Unternehmen. Der Versicherer erlaubt nämlich bei der Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens die Beitragsaufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung, sowie die gesetzliche Rentenversicherung zu berücksichtigen. Denn diese stellt für die Angestellten oftmals ein größeres Problem dar. Berücksichtigt man nur das Nettoeinkommen, so fehlen im leistungsfrei die Beiträge welche für die Krankenversicherung, gesetzliche Rentenversicherung und somit für die Altersvorsorge benötigt werden.
Nettoeinkommen (oder laufender Bedarf) + SV Beiträge (siehe GKV) + PKV Beitrag inkl. Arbeitgeberanteil = Krankengeld
Doch welche Bestandteile genau zum Nettoeinkommen zählen, das verraten uns diese Bedingungen nicht. In der Praxis unterscheiden sich dann die Auffassungen ganz gravierend. Während der Berater bei seiner Berechnung ein möglichst hohes Nettoeinkommen zu Grunde legt, kann der Leistungsprüfer im „Fall der Fälle“ eine ganz andere Meinung vertreten. In der Praxis gibt es eine ganze Reihe von Bestandteilen, welche sich zu dem Einkommen eines Angestellten addieren können. Zum Beispiel:
Bruttogehalt
VWL
Geldwerter Vorteil, z. B. 1%-Regelung für Dienstwagen
Urlaubsgeld
Weihnachtsgeld
13., 14.,… Monatsgehalt
Andere lohn- oder gehaltsähnliche Einmalvergütungen, z.B. Bonifikation
Provision, Courtagen, Incentives
Gewinnbeteiligung
Pauschal oder auch einzeln vergütet Überstunden
Nacht- Sonntags- oder Feiertagszuschläge
Bei der Berücksichtigung und der Berechnung des leistungspflichtigen Einkommens können aber nur die Bestandteile berücksichtigt werden, die regelmäßig erzielt werden. Eine weitere Rolle spielt die Tatsache, welches Einkommen im Krankheitsfall weitergezahlt werden muss und welche Einkünfte verloren gehen. Klar ist, dass das regelmäßige Bruttogehalt dabei in jedem Fall zu berücksichtigen ist. Vermögenswirksame Leistungen, welche monatlich gezahlt werden sollten (glaubt man der bisherigen Rechtsprechung) ebenfalls dazu zählen. Garantiert der Versicherer ein Urlaubsgeld oder ein Weihnachtsgeld, so wird auch dieses bei der Berechnung des Jahreswertes eine Rolle spielen müssen, hingegen sind Gewinnbeteiligungen, Provisionen, Vergütungen für Überstunden oder Nacht-und sonntags Zuschläge Leistungen die nicht zu berücksichtigen sind. Etwas anderes passiert dann, wenn die Überstunden zum Beispiel mit einer monatlichen Pauschale abgegolten werden.
Existieren verbindliche Regelungen, was anzurechnen ist?
Leider gibt es solche Regelungen nicht. Die Unternehmen können selbst bestimmen, was sie genau unter dem “Netto”einkommen verstehen. Eine große Rolle spielt dabei die Transparenz und die klare Kommunikation was denn nun genau zu Grunde gelegt werden darf. In unserem Beispiel von oben, finden sich solche Regelungen leider nicht und daher ist es für den Kunden extrem schwierig, die Höhe richtig zu berechnen und die Antragsangaben richtig zu machen. Ein anderes Unternehmen, die Hallesche Krankenversicherung hat folgende Regelung getroffen:
Einkommensberechnung für Krankentagegeld
Das versicherbare Nettoeinkommen berechnet sich wie folgt: Bei Selbstständigen und Freiberuflern: Einnahmen aus Berufstätigkeit abzüglich Wareneinsatz, Betriebsausgaben, Einkommen- und Kirchensteuer sowie Solidaritätsbeitrag.
Bei Arbeitnehmern: 80% des Jahresbruttoeinkommens inkl. Sonderzahlungen.
Bei niedergelassenen Medizinern/Zahnärzten: 70% der Praxis-/Honorareinnahmen.
Für einen Arbeitnehmer ist diese Regelung recht eindeutig und komfortabel. So sind auch Sonderzahlungen berücksichtigt, und es wird nicht auf das monatliche sondern auf das Jahresbruttoeinkommen abgestellt. Dabei sind dann auch Leistungen wie Urlaubs-oder Weihnachtsgeld in der Berechnung enthalten.
Deutlich komplizierter wird es jedoch bei Selbstständigen. Hierbei existiert bei fast keinem Unternehmen eine eindeutige Regelung. Ist der Begriff des Bruttoeinkommens bei einem Selbstständigen nicht näher definiert, so ist darunter der Gesamtbetrag der erzielten Einkünfte des Versicherungsnehmers ohne Abzug der Betriebsausgaben zu verstehen. (OLG Frankfurt VerR 01, 318). Gerade bei Selbstständigen kommt es aber noch zu einem anderen Problem. Der selbstständige versucht sein Einkommen durch Abschreibungen und verschiedene „Steuersparmöglichkeit“ so gering als möglich zu halten und damit die Steuerlast zu drücken. Glaubt man der Auffassung des OLG Frankfurt, so sollen die Abschreibungen für Abnutzung (AfA) der Gewinnermittlung zugerechnet werden, während ein etwaiger Wertverzehr des Anlagevermögens unberücksichtigt bleiben soll. Der Versicherer kann dann je nach Formulierung in den Tarifbedingungen entscheiden, ob er etwa die laufenden Betriebsausgaben mitversichern will oder nicht. Ein weiteres Problem ergibt sich bei beherrschenden Gesellschaftern und alleinigen Geschäftsführern einer GmbH. Diese sind zunächst einmal, auch bei Bestehen eines Anstellungsverhältnisses als selbstständig anzusehen. Das Geschäftsführergehalt kommt nur dann als Bemessungsgrundlage für das Krankentagegeld in Betracht, wenn es mit der finanziellen und wirtschaftlichen Situation der GmbH vereinbar ist. (OLG Bamberg r+s 07, 513)
Herabsetzung des Tagegeldes im Leistungsfall
Stellt der Versicherte nun einen Antrag auf Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung, so beginnt bei dem Versicherer die Prüfung und erst dann kann auch geprüft und entschieden werden, ob die Höhe des Krankentagegeld es richtig war. Glaubt man der Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH VersR 01, 1100) so ist die Tagegeldhöhe wegen des Charakters der Summenversicherung nicht automatisch an die Einkommensentwicklung des Versicherungsnehmers gekoppelt. Der Versicherer kann gemäß Paragraph 4 Abs. 4 MBKT (auf für laufende Versicherungsfälle) das Krankentagegeld und den Beitrag mit Wirkung vom Beginn des 2. Monats nach Kenntnis entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen herabsetzen.
Diese Herabsetzung des Tagegeldes setzt also eine einseitige Willenserklärung des Versicherers voraus und gilt nur für die Zukunft. Ein zuvor ausgezahltes Krankentagegeld oder Leistungsfälle aus der Vergangenheit bleiben hierbei unberührt. Voraussetzung für eine entsprechende Erklärung ist aber, dass der Versicherer überhaupt von der Minderung erfährt. In der Praxis werden daher bei Beginn des Tagegeldes bzw. bei Antrag auf Auszahlung des Krankengeldes entsprechende Nachweise durch den Versicherer angefordert. Problematisch ist der Fall auch deshalb, weil bei Selbstständigen insbesondere schwankendes Einkommen eher die Regel als die Ausnahme ist. Doch was passiert genau, wenn das Einkommen der letzten 12 Monate gen null tendierte, da entweder die Firma schlecht lief, oder der Versicherte nicht mehr wie gewohnt arbeiten konnte? Ob eine Anpassung auf Null möglich ist, ist in der laufenden Rechtsprechung entsprechend fraglich.
Was können Sie tun, um möglichst „sicher“ ihr Krankentagegeld zu versichern?
Die wichtigste Voraussetzung überhaupt, wie in allen Fragen eines Antrages, ist die wahrheitsgemäße Beantwortung aller vom Versicherer gestellten Fragen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, wie hoch das Krankentagegeld tatsächlich sein darf, so schreiben Sie in der Anlage zum Antrag das entsprechende Einkommen genau auf. Dabei geben sie nicht nur die Gesamtsumme an, sondern schlüsseln es nach entsprechenden Einkunftsarten auf und belegen diese. Auch dieses garantiert Ihnen für die Zukunft nicht automatisch dass es keinen Streit dazu geben wird, es erleichtert die Abwicklung aber im Leistungsfall erheblich.
Weiterhin existieren im Bereich der Krankentagegeldversicherung bei einigen Unternehmen verbesserte Regelungen. So gibt es Unternehmen die bis zu einem bestimmten Tagessatz auf eine Prüfung des Einkommens verzichten, welche, die bei Selbstständigen einen größeren Zeitraum (Durchschnitt aus 3 Jahren zum Beispiel) zu Grunde legen oder andere wiederum, die bei Existenzgründern für eine befristete Zeit ein Einkommen annehmen. Denn gerade in Fällen der Existenzgründung wurde er versicherte vielleicht vorher sogar arbeitslos war, ergibt sich bei Rückschaubetrachtung meist, ein zu kleines Nettoeinkommen gegenüber dem Versicherten Krankentagegeld.
Weiterhin sollten Sie regelmäßig überprüfen welche Veränderungen sich bei ihrem Einkommen ergeben haben und diese jährlich dem Versicherer mitteilen. Über die Anpassungsmöglichkeiten des Versicherten Tagegeldes entscheiden auch hier die Versicherungsbedingungen. Neben regelmäßigen Anpassungen die das Unternehmen anbieten kann, sind Gehaltssteigerungen oder teilweise Veränderungen der beruflichen Position bei einigen Unternehmen ein „Ereignis“, welches zu einer Anpassung des Tagegeldes ohne erneute Gesundheitsprüfung führen. Dazu in einem der kommenden Blockbeiträge etwas mehr.
Bei der BU-Versicherung besteht ein vergleichbares Problem.
Bei meiner BU-Versicherung erfordert eine Erhöhung der BU-Rente über 2.500€ (im Rahmen einer Beitragsanpassung um 5% ohne Gesundheitsprüfung) einen Einkommensnachweis.
Wäre es sinnvoll, an dieser Stelle das Nettogehalt für Steuerklasse I/IV zu berücksichtigen?
Freibeträge ändern sich bei Bezug von KT-Geld oder BU-Rente (bspw. würden Werbungskosten entfallen, das Splitting bei Verheirateten wirkt sich sicherlich anders aus). Dienst- oder Firmenwagen würde wohl spätestens bei einer BU entfallen, so dass das Nettoeinkommen auf dem Lohnzettel eigentlich wenig aussagt.
Bekomme ich auch krankentagegeld wenn ich in die Reha muß
Hallo,
das kommt auf die Formulierungen im Tarif an. Dazu kann ich Ihnen nur dann eine Aussage machen, wenn Gesellschaft, Tarif,. Abschlussdatum etc. bekannt ist. Sprechen Sie daher bitte Ihren Versicherer an. Wenn Sie Angestellt sind, kann auch eine Leistung des Rentenvers.trägers Sinn machen.
Hallo,
ich beziehe seit Oktober 2013 Krankentagegeld aus meiner PKV, nun wird mein Arbeitsverhälnis in beiderseitigem Einvernehmen zum 30.04.2015 beendet. Ich erhalte zum Ende eine Abfindung. Bei dem Abfindungssrechner unter
wird immer nach dem Jahresbruttoeinkommen ohne Abfindung gefragt.
Meine Frage: Gehört das Krankentagegeld zum Jahresbruttoeinkommen ?
LG Paul
Guten Tag,
mein Arbeitgeber sichert Arbeitnehmern egal ob privat oder gestzlich versichert, aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung einen Krankengeldzuschuss ab der 7.Woche. Was ist, wenn sich bei einem Privat-Krankenversicherten,der eine private Krankentagegeldversicherung abgeschlossen hat nun herausstellt, dass die Krankentagegeldversicherung über mehrere (ungenutze) Jahre überdimensioniert war.
Der Passus im Tarifvertrag, indem auf den Krankengeld/Krankentagegeldzuschuss eingegangen wird, ist mir bis zum jetztigen,erstmaligen Eintritt des Krankentagegeldfalls nicht bewusst gewesen.
Vielen Dank für Info
Beste Grüsse
Lobinger