Die Antragstellung zur privaten Krankenversicherung ist (fast) überall gleich. Der Kunde sucht sich einen Tarif und einen Versicherer aus, dann schaut er sich das Antragsformular des Versicherers an und beantwortet die darin gestellten Fragen wahrheitsgemäß. Doch gerade wenn die Auswahl aufgrund gesundheitlicher Probleme oder der noch nicht feststehenden Tarifauswahl umfangreicher wird, so gibt es „Berater“ oder „Finanzoptimierer“ welche es dem Kunden möglichst einfach machen wollen. Dort wird dann nicht der Antrag des Versicherers genutzt, sondern ein so genannter Einheitsantrag.
Sind die Fragen eines solchen Antrages dann gar nicht die Fragen des Versicherers?
Mit genau dieser Frage hatte sich das Landgericht Dortmund zu beschäftigen. In dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 2 O 144/11 entschied das Gericht am 24. 02. 2012 einen Fall, der sich wie folgt darstellte.
Im Jahre 2008 vermittelte der Berater des AWD (Ihr unabhängiger Finanzoptimierer) einen Antrag auf private Krankenversicherung für einen seiner Kunden. Bei dieser Antragstellung wurde nicht das Originalformular des Versicherers verwandt, sondern ein Antragsformular des AWD. Dieses war schon daran zu erkennen, dass es auf der Vorderseite zwar die Aufschrift „Antrag auf Krankenversicherung“ trug, jedoch unten auf der Seite das Logo des AWD’s abgebildet war. Ein Logo des Versicherers war dort nicht vorhanden. Laut Impressum auf der Homepage, ist der AWD ein Versicherungsmakler, welcher rechtlich gesehen auf der Seite des Kunden steht.
Es kommt wie es kommen musste, im weiteren Verlauf des Vertrages wurden dem Versicherer Krankheiten und Umstände bekannt, die ihm nicht bei Antragstellung angegeben worden waren. Der Kunde hatte diese „Bagatellerkrankungen“ dem Berater gegenüber angezeigt, welche aber nicht detaillierter in das Antragsformular aufgenommen wurden. Der Versicherer erklärte nun den Rücktritt wegen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, im weiteren Prozessverlauf zu dem die Anfechtung.
Die Auffassung und das Urteil des Gerichts:
Erstaunlich ist nun aber die Auffassung, welche das Landgericht Dortmund im Prozess vertritt. Der Rücktritt des Versicherers stützt sich auf die rechtlichen Grundlagen des Paragraphen 19 VVG, welche die Angabepflicht und die Folgen einer solchen Verletzung regelt. Im Paragraph 19 heißt es dabei:
(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen.
Die Richter gehen nun aber davon aus, dass in diesem speziellen Fall nicht der Versicherer, sondern der AWD mit seinem Antragsformular den Kunden Fragen gestellt hat. Da der Versicherer nichts gefragt hat, konnte der Kunde auch keine falschen Angaben machen. Wenn eine solche Verletzung der Anzeigepflicht daher gar nicht möglich ist, solange nur Einheitsanträge verwendet werden, während dem Betrug „Tür und Tor“ geöffnet. Das würde ja wiederum bedeuten, dass diese Einheitsanträge entweder vom Markt verschwinden würden, oder der Versicherer solche gar nicht mehr annehmen kann. Denn der Kunde könnte beliebige Angaben machen, oder eben beliebige Angaben weglassen, ohne dass es weitergehende Folgen hätte.
Auf einen weiteren Punkt weisen die Richter in ihrer Betrachtung noch hin. Eine Belehrung was denn genau passiert, falls die Angaben falsch gemacht werden, erfolgte auch nur durch den Makler und nicht durch den Versicherer. Schon allein deshalb sei ein Rücktritt ausgeschlossen.
Auch eine Anfechtung des Vertrages nach Paragraph 22 VVG habe keinen Erfolg, so die Richter weiter. Eine solche Anfechtung sei nur dann möglich, wenn der Umstand einerseits offensichtlich gefahrerheblich, andererseits aber so selten und fern liegend ist, dass es dem Versicherer nicht vorzuwerfen ist wenn er danach nicht gefragt habe. Als Beispiele für solche Punkte führen die Richter an: die Absicht des Versicherten eine Straftat oder einen Selbstmord zu begehen.
Ich persönlich bin sehr gespannt, wie sich die Rechtsprechung in dieser Form weiter entwickeln wird. Auch in der Vergangenheit gab es bereits ein ähnliches Urteil des OLG Hamm (20 U 38/10), welches bereits damals stark kritisiert wurde. Für die Versicherer würde das bedeuten, dass man jeden dieser Einheitsanträge von Vertriebenen durch eigene Fragebögen ersetzen müsste, und die Fragen neu stellen, aber auch die Belehrung der Anzeigepflicht neu durchführen müsste.
Weitere Informationen:
Urteil LG Dortmund zum Rücktritt bei AWD Einheitsantrag zur PKV, Az. 2 O 144/11