Bereits in der letzten Woche habe ich zu der Studie des IfMDA und des PremiumCircle geschrieben und einiges an Aufklärung geboten. Aufgrund der Menge an Fragen zu den Mindestkriterien und wie relevant diese nun tatsächlich sind, widme ich mich heute noch einmal genau diesem Bereich. Das wird natürlich sehr, sehr fachlich und für den Laien meist sehr schwer verständlich.
Im Fazit der Studie heißt es ja, so wurde es auch in den verschiedenen Artikeln in der Presse immer wieder geschrieben, 80% der Tarife in der Privaten Krankenversicherung entsprächen nicht einmal Mindestleistungen. So heißt es wörtlich in der Studie:
“Ein regulierender Schritt könnte auf Produktebene die Einführung von PKV-Mindestkriterien sein, die einen angemessenen PKV-Krankenversicherungsschutz gewährleisten würde. (…) Dadurch ließe sich der PKV-Marktversagensbereich in Bezug auf den Leistungskatalog beseitigen. (…) Die Problemfelder von PKV Billigtarifen und anderen PKV Tarifen mit teilweise existenziellen Leistungsausschlüssen im Krankheitsfall erfordern eine grundlegende Neuordnung des Vertriebsmarktes und auch der Provisionen. Auch hier ist der Gesetzgeber regulierend gefordert.”
Ist das nicht immer so? Wenn man nicht weiter weiss, dann schreit alle Welt nach regulierten Märkten und einheitlichen Kriterien. Die Private Krankenversicherung unterscheidet sich aber gerade dadurch von der GKV, das hier die Leistungsbereiche separat und je nach eigenem Bedarf und Wunsch kombiniert werden können. Niemand ist gezwungen einen “Billigtarif” abzuschließen, niemand wird gezwungen eine PKV für 69 EUR zu suchen und keiner meiner Kunden hat eine solche. Auch passt die PKV eben lange nicht auf jeden, manche Personen(-gruppen) gehören einfach nicht in das System der privaten Krankenversicherung.
Doch schauen wir uns einmal die “Mindestkriterien” an: Da gibt es 85 dieser Kriterien, aber nicht alle werden bei der Bewertung der Tarife berücksichtigt. Zu den drei nicht berücksichtigten Kriterien gehören die Auslandsaufenthalte, Fragen zum Schutz bei Kriegsereignissen und Terror und die Wechseloptionen. Bleiben also noch genug Kriterien die zu erfüllen sind, wenn nicht gehört der Tarif laut Studie zu denen, die nicht einmal den Mindestkriterien entsprechen. Dazu sei noch erwähnt, es gibt keinen Tarif, der alle 85 Kriterien erfüllt. Die maximale Erfüllung bietet der Tarif PURISMA (R) der Mannheimer Krankenversicherung, welcher 72 Kriterien aufweist.Der heutige PKV Basistarif erfülle demnach 30 der 85 Kriterien, doch nun zurück zu den einzelnen Punkten. Los geht es mit den Arzthonoraren, welche als Mindestkriterium die Leistungen bis zum so genannten Regelhöchstsatz erstatten müssen um das Kriterium als erfüllt gelten zu lassen. Also Mindestgrundlage mag das ja denkbar sein, nur zieht dieses ein Kostenrisiko nach sich, denn der Arzt kann bis zum so genannten Höchstsatz abrechnen, ohne das eine extra “Erlaubnis” vorliegen muss, aber es soll ja auch das Mindeste sein. Warum bei den Mindestkriterien dann aber auch die (stationäre) Privat-/ wahlärztliche Behandlung versichert sein muss, das erschließt sich mir nicht. Wenn mir als Patient die Mindestleistungen doch reichen, dann ist der Belegarzt (ein weiteres Kriterium) sicher nicht zu vergessen, aber eine privatärztliche Behandlung ist m.E. nicht mehr im Bereich der Mindestmaße anzuordnen.
Die Versorgung in Hospizen, Bundeswehrkrankenhäusern und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) stellen ebenfalls je ein Kriterium dar. Problematisch sehe ich hier nur die Veränderungsmöglichkeiten der Alttarife. Vor 20, 30, 40 Jahren bei der Einführung einiger Tarife, waren diese Bereiche noch nicht im Bewusstsein und die MVZ’s noch gar nicht vorhanden. Daher werden Bestandstarife mit diesen Kriterien immer ein Problem haben, das finden wir auch noch im Weiteren.
Im stationären Bereich geht es noch um den Verzicht auf eine Anzeigepflicht und die gemischten Anstalten und deren Versorgung im Notfall oder bei fehlender Alternative. Auch hier, 3 Kriterien. In direktem Zusammenhang folgen dann die Anschlußheilbehandlungen, welche nicht nur grundsätzlich versichert sein sollen (1 Kriterium), sondern auch binnen 3 Monate nach der stationären Behandlung angetreten werden sollen (können). Diese Frist macht das Kriterium bei nahezu allen PKV Tarifen als unerfüllbar, da die Versicherer hier unterschiedliche Fristen verwenden. Angefangen von 2, 4, 6 oder 8 Wochen. Warum es nun gerade drei Monate sein sollen und wie Wahrscheinlich eine beginnende AHB nach 3 Monaten noch ist, das konnte mir einer meiner Mediziner heute nur mit einem Achselzucken beantworten. Das eine Rehamaßnahme immer dann und ohne Zusage bezahlt werden soll, wenn diese nicht von einem gesetzlichen Träger übernommen worden ist, das halte ich für mehr Wunschdenken. Hier ist der Versicherer (unter Prüfung der medizinischen Notwendigkeit) in einer unkalkulierbaren Leistung, denn jede Kürzung der gesetzlichen Träger führt dann sofort zu höheren Leistungen in der PKV, wofür (kalkulatorisch) kein Geld vorhanden ist.
Auf die Psychotherapie entfallen weitere 3 Kriterien, gefolgt von zweien die für die versicherte erste Maßnahme zur Entziehung und Entwöhnung (je 1) vergeben werden. Doch nun folgt der größte Teil der erreichbaren Kriterien/ Punkte, nämlich der Bereich Hilfsmittel. Ganze 26 Kriterien, also fast 1/3 der Mindestkriterien, entfallen auf diesen Bereich. So werden Kriterien für die offene Formulierung bei lebenserhaltenden Hilfsmittel und dann folgend für Einzelhilfsmittel wie zBsp. Heimdialysegerät, Schlafapnoegerät, Kunstglieder, Kunstaugen, den Blindenhund oder Hörhilfen vergeben. Dabei kann das Hilfsmittel auch mit Einschränkungen versichert sein, so zum Beispiel mit der Verpflichtung des Kaufes bei dem Versicherer, auch dann gelte das Kriterium als erfüllt, so die Studie weiter. Wer Probleme mit seinen Augen hat, der ist gleich mit 4 Kriterien bedacht, denn wenn die Brille mit 301 bis 400 EUR bezahlt wird, dazu alle 2 Jahre oder bei Dioptrienänderung von 0,5 erneut und für Kontaktlinsen keine zusätzliche Begrenzung gilt, dann sind schon drei der 4 Kriterien erfüllt. Das letzte bekommt nur der Tarif, der die LASIK bis 1000 EUR pro Auge auch noch bezahlt. Dazu ist jedoch die Rechtsprechung auf einem anderen Weg und auch in bestehenden Tarifen ohne diese Nennung wird es mittlerweile gezahlt, dazu mein Blogartikel zur medizinischen Notwenigkeit einer Lasik OP.
Weitere Kriterien entfallen dann auf die Bereiche zu den Heilmitteln, welche sich mit Leistungen wie Logopädie, Ergotherapie und Krankengymnastik beschäftigen, also in der Summe hier insgesamt 7 Kriterien. Vier nun folgende Punkte sind der Zahnleistung in den Tarifen geschuldet, denn hier geht es um Fragen zur Begrenzung der Leistungen in den ersten 3 Jahren, die Höhe muss bei 4.001 bis 6.000 EUR liegen und bei unfallbedingten Kosten entfallen. Die Transportkosten für Fahrten vom und zum Arzt oder Krankenhaus sind mit weiteren 9 Kriterien bedacht, wobei 5 auf den ambulanten und der Rest auf den stationären Bereich entfällt. Da haben wir fast alle Kriterien besprochen, fehlen nur noch die letzten 13, wobei diese für die Bereiche Schutzimpfungen (1), Vorsorgeuntersuchungen (1), Kurleistungen (7, davon 3 stationäre Kur) und Kindernachversicherung (2) entfallen. Wer jetzt nachgerechnet hat, dem fehlen 2, das sind aber die bereits am Anfang besprochenen und nicht bewerteten Punkte zum Krieg und Terror und zu den Wechseloptionen.
Ich habe in den vergangenen Tagen mit vielen meiner Kunden gesprochen. Klar sind all diese Punkte wichtig und jeder hätte gern einen entsprechenden Schutz, aber dennoch: Auf einen Teil dieser Punkte würden- zumindest die Befragten- auch verzichten können. So betrifft das einzelne Hilfsmittel, daneben auch Leistungen wie Brille und Kontaktlinsen, aber auch Kurleistungen gehörten zu den Nennungen. Und je individueller die Betrachtung wird, um so mehr Bereiche erscheinen dem Einzelnen nicht wichtig.
Was bringt die Studie jetzt?
Natürlich ist es entscheidend, dass jeder Versicherte das bekommt, was ihm persönlich wichtig ist. Ob das nun gerade mit einer Regulierung der Märkte und Tarife erreicht wird, das sei mal dahingestellt. Wichtiger, viel wichtiger ist die Stärkung des Bewusstseins von Maklern, Beratern und auch Versicherern, aber in erster Linie des Bewusstseins der Kunden. Nur wenn die Bereitschaft steigt, einen entsprechenden Schutz “sich auch zu leisten” oder eben in einer staatlichen Absicherung zu bleiben, nur dann werden Tarife mit elementaren Lücken vom Markt verschwinden. Solange aber vielen nicht einmal ansatzweise klar ist, was eigentlich im eigenen Tarif enthalten ist- solange werden auch solche unsinnigen Tarife Bestand haben.
Andererseits ist es für Versicherer ungeheuer schwer, bestehende Tarife so “einfach” umzubauen, Formulierungen in Tarife zu integrieren und dadurch Mehrleistungen zu schaffen, die so nicht vorhanden waren, denn irgendwo muss auch dieses Geld her kommen- am Ende durch Anpassungen der Beiträge.
Fazit:
Hier wurden in einer Studie 85 Kriterien vergeben, die natürlich nicht auf jeden passen. Das bedeutet nun keinesfalls, das der Endkunde nun schnell in die “besten” Tarife der Studie wechseln muss. So haben auch Tarife der RuV mit dem AGIL Premium oder der Mannheimer PRISMA Max entscheidende Leistungseinschränkungen, mit denen man leben muss. Wer also jetzt glaubt mit einem Tarifwechsel zum “besten” Tarif sind die Probleme gelöst, den muss ich leider enttäuschen. So ist es nämlich gerade nicht, da die Ansprüche eben nicht generell und allgemein, sondern individuell und persönlich sind.
Bevor Sie sich also für oder gegen einen Tarif oder Versicherer entscheiden, beschäftigen Sie sich mit den für Sie wichtigen Auswahlkriterien.
Weitere Informationen:
Auswahlkriterien und Kriterienfragebogen zur PKV
Leitfaden zur Privaten Krankenversicherung
und nein, nicht jeder muss in die PKV: Eine private Krankenversicherung muss man sich leisten wollen und können- eine langfristige Beziehung mit nötiger Planung