Bei den Pressemitteilungen oder angeblich so neuen und einzigartigen Produkten von Versicherern muss ich immer an diese Kuchen Werbung der Sparkasse denken. Manchmal frage ich mich ernsthaft wer Produkte entwickelt, Anträge entwirft und meint, damit etwas neues und “eintigartiges” zu schaffen.
Einzigartig ist aber das neue Produkt der Continentalen Krankenversicherung aus einem anderen Blickwinkel. Nachdem die Gothaer vor mehr als einem Jahr den Makler und Vermittler Ihrer Produkte schon für dumm verkaufen wollte, scheint die Continentale mit ihrem “einzigartigen Produkt zur Berufsunfähigkeit mit einer Option auf eine Krankenversicherung” dieses noch übertreffen zu wollen. Warum das so ist und was genau so “schlimm” daran ist, schauen wir uns hier einmal genau an.
In der Pressemitteilung der Continentalen vom 03. 05. 2011 ist unter anderem der folgende Text nachzulesen:
“Innovation: Als erster deutscher Versicherer bietet die Continentale jetzt ihre Berufsunfähigkeits-Vorsorge Premium zusammen mit der Option AV-P1 auf eine private Krankenversicherung an.”
Was daran die große Innovation sein soll, erschließt sich mir leider nicht. Klar, bisher musste ich mich um zwei Produkte bemühen. Da konnte der Kunde einen Versicherer in der Privaten Krankenversicherung (PKV) auswählen, dabei meine individuellen Auswahlkriterien zur Privaten Krankenversicherung berücksichtigen und das passende Produkt finden, einen Antrag stellen und eine Police bekommen. Danach hat sich der Berater und Kunde wieder hingesetzt und eine weitere Beratung begonnen. Dabei ging es nicht mehr um die Frage zur Privaten Krankenversicherung, sondern vielmehr um den notwendigen Schutz bei Berufsunfähigkeit, denn irgendwoher muss ja das Geld (auch für die Beiträge zur Krankenversicherung) kommen, wenn mal nicht mehr arbeiten kann.
Bisher konnte, durfte oder musste sich der Kunde nun zweimal mit einer Beratung beschäftigen, zweimal unterschiedliche Tarife und Versicherer anschauen und sich dann den besten für ihn passenden heraussuchen. Doch nach der Pressemitteilung der Continentalen Kranken- und Lebensversicherung ist das nun alles ganz einfach.
“Für den Vermittler bietet diese spartenübergreifende Produktkombination zudem einen neuen, ganzheitlichen Beratungsansatz, der vor allem für den Einstieg in eine langfristige Kundenbeziehung mit jungen Leuten interessant ist. Denn sie haben noch einen langen Berufs- und Lebensweg vor sich, auf dem auch der Versicherungsschutz unkompliziert mitwachsen sollte.”
Ich weiss ja nicht wie die “typischen Vertreter und Vermittler der Continentalen” aussehen, aber glaubt ein Versicherer ernsthaft, ein qualifizierter Berater hat bisher anders beraten? Ist es nicht eher hinderlich die Produkte zwingend bei einem Unternehmen abschließen zu müssen? Nur weil ein Unternehmen ein passendes Berufsunfähigkeitsprodukt anbietet, hat es dann automatisch auch den passenden und richtigen Krankenversicherungsschutz für den Kunden? Natürlich ist es für ein Unternehmen schön. Da hab ich den Kunden nicht nur mit einem, nein gleich mit zwei (mehr oder weniger passenden) Produkten geködert beglückt. Der dumme Vermittler wird es schon nicht merken das es nicht optimal sein muss, nein der verkauft ja eh nur und ist bestimmt froh wenn er nicht nur einmal, besser gleich zweimal und mehr Geld verdient.
Als Spezialist in den Bereichen der Krankenversicherung und Berufsunfähigkeit haben weniger als 10% meine Kunden in den letzten 10 Jahren die Krankenversicherung und die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit bei einem Unternehmen. Gründe liegen schlichtweg in den Produkten und den Mitbewerbern. Klar ist der Übergang zwischen Krankentagegeldzahlung und Berufsunfähigkeitsrente wichtig, zahlreiche Urteile zur Arbeitsunfähigkeit vs. Berufsunfähigkeit bestätigen das zweifellos, aber schließe ich es deshalb bei einem Unternehmen ab und kaufe mir ein minderwertiges Produkt (im Vergleich zu anderen Versicherern) ein? Die Continentale hat mit der Tarifeinführung des COMFORT einen Tarif geschaffen, der lange nicht für alle Kunden passt. Auch der Economy Tarif oder die GS1 oder GS2 (plus) Tarife sind nicht immer passend. Warum sollte sich also ein junger und gesunder Kunde vorab auf so einen Versicherer festlegen?
Und: Abgeschlossen werden kann der Optionstarif AV-P1 bis zum Alter von 45 Jahren. Die Kombination aus BU-Vorsorge Premium und Optionstarif AV-P1 ist also auch für Kunden, die bereits mitten im Berufsleben stehen, ein interessantes Angebot. Dabei ist der AV-P1 natürlich immer an den Fortbestand der BU gebunden.
Wenn Sie mit Mitte 20 Ihr Studium abgeschlossen haben, die ersten Jahre Erfahrungen im Beruf sammeln konnten, entscheiden Sie sich dann schon für eine Automarke und legen sich fest, dass ihr nächsten Auto nur noch von dieser Marke kommen wird? Ist es nicht vielmehr so, das der wichtige Schutz bei Berufsunfähigkeit so früh als möglich zu besorgen ist, die Private Krankenversicherung aber meist er mit später steigendem Einkommen möglich ist?
Ist das Modell denn so einzigartig?
Grundsätzlich werden hier zwei Produkte abgeschlossen. Ein Abschluss findet mit einem Antrag statt. Über den Unsinn zu den Gesundheitsfragen die fast schon eine Frechheit sind, da diese den Kunden und Vermittler für dumm verkaufen will, lesen Sie weiter unten im Beitrag. Doch zurück zum Antrag. Auf dem Deckblatt wird klar dokumentiert was und wo hier Anträge gestellt werden. Das Produkt “Berufsunfähigkeitsversicherung B1 Premium” bei der Contientale Lebensversicherung AG und das Produkt “Optionstarif AV-P1″ bei der Continentale Krankenversicherung. Super, braucht der Kunde oder Vermittler nur einmal den Namen des Kunden schreiben, auch nur einmal persönliche Daten wie Adresse, Bankdaten und dergleichen ausfüllen. Das ist einzigartig, denn würde der Kunde sich bedarfsorientiert beraten lassen, so kämen unter Umständen zwei unterschiedliche Tarife heraus, JA sogar zwei Gesellschaften wären möglich.
Gibt es so ein Produkt denn bei anderen Unternehmen auch?
Ganz klare Aussage, zum Glück nicht. Es ist ja in der Versicherungswirtschaft nicht unüblich, dass Unternehmen Produkte zu Paketen bündeln. Nicht erst seit heute ist bekannt, das damit meist gute und schlechte nicht ganz so tolle Produkte gemeinsam verkauft werden. Jeder der etwas von Verkauf, Vertrieb oder Marketing versteht weiss das. Beschäftigt sich ein Kunde und Vermittler also aktiv und intensiv mit der Materie, so werden sich zweifelsohne andere und oft auch besser passende Produkte finden. Einen Optionstarif zum späteren Abschluss einer Privaten Krankenversicherung bieten wahrlich nicht nur die Continentale Krankenversicherung, auch andere Unternehmen bieten seit langem solche Modelle in verschiedenen Variationen an. Einige Mitbewerber verbinden diese mit einem Zusatzversicherungsschutz und ermöglichen damit nicht erst “in 5, 10 oder 15 Jahren” Versicherungsschutz in der noch abzuschließenden Krankenversicherung. Dort besteht dann heute schon ein ergänzender Versicherungsschutz zur gesetzlichen Krankenkasse (GKV). Ob man den jetzt in jungen Jahren braucht oder nicht, die Frage muss sich jeder selbst beantworten. Mit einer solchen Option, da hat die Continentale zweifelsfrei recht, wird ein Gesundheitszustand konserviert und der Interessent läuft nicht Gefahr später nicht mehr in die Private Krankenversicherung zu kommen. Gesundheitliche Probleme, Krankheiten oder Unfallfolgen die nach Abschluss auftreten sind dann automatisch mitversichert und spielen bei der Risikoprüfung keine Rolle.
Wie sehen denn die Antragsfragen aus und was ist so schlimm daran?
Private Krankenversicherer haben unterschiedlich lange Abfragezeiträume in Ihren Anträgen. Dabei gibt es Unternehmen, die wollen die ambulanten Behandlungen der letzten 3, 5 oder gar 10 Jahre wissen. Auch im stationären Bereich sind 10 Jahre, aber auch 5 oder teilweise sogar weniger möglich und bei Sonderfällen wie Psychotherapie oder Suchtbehandlungen werden meist andere und längere Zeiträume abgefragt. In der Praxis kann es damit also durchaus wichtig und sinnvoll sein, sich neben den Leistungen und Prämien den Antrag sehr genau anzuschauen. Dabei ist alles anzugeben, nach denen der Versicherer ausdrücklich fragt. Grundlage für diese Anzeigepflicht ist im § 19 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) geregelt. Der Gesetzgeber schreibt darin:
(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen.
Lesen Sie den unterstrichenen Teil noch einmal bitte. Es ist also nur das anzugeben, nach dem ausdrücklich und schriftlich gefragt wurde. Eine Reihe von Urteilen, zuletzt mehrfach gegen die Hanse Merkur Krankenversicherung, beschäftigen sich mit dem Rücktritt wegen nicht angegebenen Umständen. Da habe ich als Kunde natürlich ein Interesse daran, genau das anzugeben was gefragt wird, aber eben auch nicht mehr. Glauben Sie ernsthaft, ein Versicherer würde andere Informationen nicht verwerten und Krankheiten bei der Risikoprüfung ausblenden, wenn er diese kennt? Auch wenn Angaben gemacht werden, die so nicht gefragt sind oder der Kunde Atteste zur Verfügung stellt die außerhalb des Anfragezeitraumes sind, verwerte ich als Versicherer diese Informationen. Ich (als Versicherer) “kaufe mir doch nicht bewusst” ein schlechteres Risiko ein, obwohl ich es vermeiden kann. Der Risikoprüfer einer Gesellschaft hätte seinen Job nicht verstanden, wenn er bewusst erhöhte Risiken die er kennt, nach denen aber nicht gefragt wurde, bewerten würde
Schaut man sich die Fragen in dem Antragsformular nun einmal an, so muss man dabei drei Anträge betrachten. Zum einen den Antrag auf Private Krankenversicherung (der bei Abschluss einer solchen auszufüllen wäre), den Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung und zuletzt auch den Antrag aus der Kombination.
Besonders spannend sind die Antragsfragen deshalb, da diese unterschiedliche Abfragezeiträume beinhalten. Da wird der Kunde mit dem Kombi-Antrag benachteiligt, da dieser unter Umständen mehr angeben muss als der Kunde, der beide Verträge separat abschließt. Da werden zum Beispiel das Thema Psyche und Psychotherapie im oberen Antragsteil Fragen gestellt. Auf Seite 3 des Antrages B1 + AV-P1 findet der Antragsteller die Frage:
“Bestanden oder bestehen bei Ihnen in den letzten 10 Jahren Krankheiten oder Beschwerden a.) der Psyche (z. Bsp. Depressionen, Angstzustände oder Zwangsstörungen, Neurose, vom Arzt diagnostizierter Stress- oder Erschöpfungszustand, Essstörung, Schmerzsyndrom, Burn-Out-Syndrom, psychosomatische Störung, Suizidversuch)”
Zum Einen ist die Frage nach Beschwerden immer sehr schwer zu beantworten. Anders als bei einer Frage nach Behandlungen, die objektiv greifbar und nachvollziehbar sind, werden Beschwerden unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Aber das sollte gar nicht der Punkt sein. Die oben gestellte Frage finden wir im oberen Teil unter “Erklärung zum Gesundheitszustand”. Im unteren Teil der Antragsseite gibt es dann noch die “Besondere Risikofragen zum Optionstarif AV-P1”. Dort wird nun aber gefragt:
“Wurde in den letzten 5 Jahren eine psychotherapeutische Behandlung angeraten oder durchgeführt?”
Diese Frage findet sich so in dem normalen Antrag auf Krankenversicherung der Continentale auch. Nutzt der Kunde also den Kombi-Antrag, so muss dieser mehr Angaben machen, als der Kunde im Einzelantrag und der Versicherer erhält “ganz ungewollt” mehr Informationen als sonst. Ein Schelm wer böses dabei denkt, nicht wahr?
Eine andere Frage stellt sich noch zu der so genannten HIS Datei, also der gefürchteten “Schwarzen Liste” der Versicherer. Dort werden bekanntlich Informationen zu abgelehnten oder mit Zuschlägen angenommenen Anträgen abgespeichert. Auf das so genannte Hinweis- und Informationssystem haben normalerweise die Krankenversicherungsunternehmen keinen Zugriff. Was passiert aber nun in diesem Fall? Im Antrag stimmt der Kunde dieser Datenübermittlung ja bereits zu. Auf der Seite 6 des Kombiantrages heißt es dazu:
“Ich willige ein, dass das Unternehmen für Zwecke des HIS risikoerhöhende Merkmale sowie Auffälligkeiten, die auf Versicherungsbetrug hindeuten können, an die Auskunftdatei informa IRFP GmbH übermittelt.”
Somit erhält der Versicherer hier durch die Verwendung des Kombiantrages deutlich mehr Gesundheitsangaben und Informationen als bei der Verwendung der einzelnen Anträge. Dieses Risikos sollte sich der Kunde und auch ein Berater bewusst sein und einen entsprechenden Hinweis in (s)eine Beratung einbauen. Auch stimmt der Kunde im Antrag bereits der Weitergabe der Unterlagen zur Leistungsprüfung zu. Die Continentale Lebensversicherung darf also der Krankenversicherung über den Eintritt des Versicherungsfalls informieren und Unterlagen weitergeben.
Wie sind denn die Einzelbausteine (Optionstarif und Berufsunfähigkeitsversicherung) im Vergleich zu Mitbewerbern aufgestellt?
Wie bereits eingangs in diesem Beitrag und auch vielfach in anderen Beiträgen geschrieben- ein gutes oder schlechtes Produkt gibt es nicht. Jedes Produkt ist nur so gut oder schlecht wie es den konkreten Bedarf auch abdeckt. Dennoch gibt es natürlich Aussagen in den Versicherungsbedingungen der Krankenversicherungstarife der Continentalen und auch der Berufsunfähigkeitspolice, die am Markt zum Teil deutlicher und besser formuliert sind.
So sollten Sie in dem Tarif BU Vorsorge Premium die Bereiche zur Arztanordnungsklausel, zum Umorganisation aber auch zu den Leistungsbeschränkungen genau lesen. Schauen Sie sich am besten in meinem Leitfaden zur Berufsunfähigkeit einmal die anderen Formulierungen von Versicherern an. Auch die Fragen, was bei Ausscheiden aus dem Beruf passiert, was gibt es für Leistungseinschränkungen und Begrenzungen und vor allem welche Leistungsausschlüsse gelten, sollten dringend besprochen und geklärt werden. Da es in der Berufsunfähigkeitsabsicherung eben keine halbe Rente gibt sind hier die Bedingungen elementar wichtig. Was nützt Ihnen ein Vertrag der im Leistungsfall nicht zahlen muss?
Auch in der Krankenversicherung der Continentalen gibt es wie bei anderen Anbietern diverse Einschränkungen und Ausschlüsse. Daher beschäftigen Sie sich bitte intensiv mit den Auswahlkriterien zur Privaten Krankenversicherung. Nur so finden Sie heraus, welche finanziellen Risiken Sie eingehen, was eventuell anderweitig besser zu bekommen ist oder wo es Fallen im Kleingedruckten gibt. Mit der Frage was denn nun die “Hilfsmittel in einfacher Ausführung” sind beschäftigten sich in der letzten Zeit die Gerichte. Genaueres zu den Gründen und auch das Urteil können Sie in meinem Beitrag “Hilfsmittel in einfacher Ausführung heißt eben nicht “billig” (Urteile LG Dortmund 2 S 39/10 und AG Stuttgart 14 C 6415/06)”
Fazit: Was bringt nun das Produkt und die Kombination genau?
Ganz offen gesagt… NICHTS. Die Kombination in der Form mag neu sein, ist jedoch in der Praxis und bei anderen Unternehmen ähnlich und deutlich individueller zu bekommen. Eine Absicherung auf Berufsunfähigkeit sollte ebenso wie ein Krankenversicherungsvertrag auf den eigenen Bedarf ausgerichtet sein. Es ist nicht wichtig, ob es ein Antrag ist den Sie ausfüllen müssen oder zwei. Wichtig ist das der Schutz genau der ist, den Sie sich vorstellen. Anders als bei einer einfachen Optionsversicherung denken Sie ruhig einmal über einen Zusatzschutz zur heutigen gesetzlichen Krankenkasse nach. Hier gibt es durchaus Tarife am Mark, die einen späteren Wechsel in Vollkostentarife ohne neue Risikoprüfung ermöglichen.
Diese Produkteinführung zeigt einmal mehr: Nicht alles was aus vertrieblicher Sicht einzigartig und neu ist oder von Unternehmen so beworben wird muss auch so sein. Lassen Sie sich nicht für dumm verkaufen und schauen Sie immer in die zu Grunde liegenden Bedingungen. Nur die Aussagen und Fakten, welche in den Versicherungsbedingungen genannt sind, entscheiden über die Leistungsverpflichtungen des Unternehmens. Verlassen Sie sich daher nicht auf Prospekte, sondern nur auf das berühmte Kleingedruckte.