Klar, (fast) jeder hat schon einmal etwas über die Berufsunfähigkeitsversicherung gelesen. Irgendwie war das was im Hinterkopf, frei nach dem Motto “wichtigste Versicherung überhaupt” oder so? Aber so richtig ist der Begriff und die Frage wann was gezahlt wird nicht klar.
Was ist eigentlich Berufsunfähigkeit?
Berufsunfähigkeit ist ein Zustand, der durch Krankheit, Unfälle oder dergleichen eintreten kann. Danach kann der bisher ausgeübte Beruf nicht mehr ausgeübt werden, somit fehlt es an einer Möglichkeit, Geld zu verdienen und somit für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen zu können.
Vereinfacht könnte man also sagen, ich kann den Job den ich bisher hatte nicht ausüben, da Ich krank bin und sich der Zustand voraussichtlich auch die nächste Zeit nicht bessern wird.
Ist dieser Zustand überall gleich definiert?
Nein. Zunächst gibt es eine verbindliche und für alle Versicherer bindende Definition im neuen, aktuellen Versicherungsvertragsgesetz (VVG). In dem Paragraphen 172 Abs. 2 VVG finden wir dann auch eine genaue Definition, was denn nun “berufsunfähig” genau bedeutet.
(2) Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.
Einige Punkte in dem Paragraphen sind recht spannend. So wird der Beruf genau so betrachtet, wie er unmittelbar vor Eintritt der Einschränkungen ausgestaltet war. Um es zu verdeutlichen, hier ein Beispiel.
Ausgangssituation sind zwei kaufmännische Angestellte im Verkauf eines Unternehmens. Beide haben den Berufs des Einzelhandelskaufmanns gelernt. Somit also beide den gleichen Beruf. Beide werden durch einen Autounfall derart eingeschränkt, dass ein Autofahren und langes Sitzen nicht mehr möglich ist.
Im typischen Berufsbild des Einzelhandelskaufmanns ist es ja nicht zwingend erforderlich, den Tag über nur zu sitzen, meist auch nicht unbedingt Auto zu fahren. Daher liegt eine Berufsunfähigkeit wahrscheinlich nicht vor.
Der 2. von den beiden Versicherten, ist jedoch im Außendienst tätig gewesen, das auch direkt vor dem Unfall. Er fuhr zu Kunden, führte Produkte vor und war deutschlandweit unterwegs. Diese elementaren Tätigkeiten seines Berufs kann er nun nicht mehr ausführen und ist berufsunfähig.
Somit würde (weitere Umstände natürlich noch zu prüfen) nur einer von beiden eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bekommen, der andere nicht. Es wird also sehr genau geschaut, welche von den Tätigkeiten vor dem Unfall noch machbar sind, welche nicht mehr und welche vielleicht teilweise. Nach Aufstellung und Prüfung dieser, findet dann eine Beurteilung statt. Sind mehr als 50% der Tätigkeiten unmöglich, dann ist Berufsunfähigkeit vorhanden, kann derjenige noch mehr als die Hälfte seiner Tätigkeiten (wie früher) ausführen, dann erfolgt keine Rentenzahlung.
Dann ist es also egal, welchen Versicherer ist wähle?
Nein, natürlich nicht. Gerade da sich die Bewertungen und Ratings in den letzten Jahren immer mehr zu Marketinginstrumenten entwickelt haben, sollten Sie sich gerade auf diese nicht verlassen. Ob es 5 Sterne im BU Rating, drei AAA’s oder andere tolle Symbole sind, viel weiter hilft Ihnen eine solche Tabelle nicht.
Was Sie genau tun müssen, ist das Lesen von Bedingungen. Auch wenn das vielleicht nicht unbedingt die tollste Beschäftigung ist, lesen Sie zumindest die wichtigen Punkte und verstehen die Bedingungen. Ein Berater der sofort und ohne weitere Abwägung von Kriterien den tollsten und besten Tarif für Sie weiss, den schicken Sie getrost wieder nach Hause.
Damit es Ihnen etwas leichter fällt, den einen 5***** vom anderen 5 Sterne Versicherer zu unterscheiden, habe ich in meinem Leitfaden zur Auswahl der geeigneten Berufsunfähigkeitsversicherung einige Bedingungsaussagen gegenüber gestellt. Dort sehen sie also sofort, auf welchen Satz, welches Wort es ankommt. Manchmal entscheidet eine kleine Formulierung über Rente oder nicht.
Was nützt Ihnen die billigste Versicherung, wenn Sie nicht zahlt?
Wenn doch die Bedingungen gut sind, warum hört man so viel wie “Die BU Versicherer zahlen ja eh nicht?”
Genau weil diese eben vielen mit tollen Sternen oder Testsiegen nicht gut sind. Der Versicherer hat undeutliche Formulierungen eben nicht einfach “aus Versehen” in den Bedingungen, sondern weil man es im Leistungsfall eben für oder gegen einen Versicherten auslegen kann.
In der Berufsunfähigkeit sprechen wir sehr schnell von sehr viel Geld. Schauen Sie sich nur einen 35jährigen an. Selbst wenn dieser nur 1.000 EUR Rente versichert hat, liegt das finanzielle Risiko bei dem Versicherer schon bei 252.000 EUR (Laufzeit bis zum 66. Lebensjahr).
Liegt hingegen eine versicherte Rente von 2.500 EUR dem Vertrag zu Grunde, und eine 30jährige Versicherte wird nun berufsunfähig, so sprechen wir hier über 1.110.000 EUR.
Verständlich ist hier, dass der Versicherer sehr genau prüft und sehr genau nachschauen wird, ob die vertraglichen Voraussetzungen erfüllt sind. Kann man sich nicht einigen, so muss final ein Gericht entscheiden. Das dauert jedoch sehr lange und kostet viel Geld. Bei einem Streitwert von “nur” 500.000 EUR liegt das Kostenrisiko hier bei über 25.000 EUR. Ohne Rechtsschutzversicherung ist es schnell unerreichbar.
Und woher weiss ich nun, dass mein Tarif gut ist und der Versicherer auch zahlt?
Ob der Tarif gut oder schlecht ist, lässt sich an den Bedingungen ablesen. Je eindeutiger und klarer diese Formuliert sind, desto schwerer ist es hier zu diskutieren. Steh in den Bedingungen Sie müssen z. Bsp. maximal 20% Einkommenseinbuße hinnehmen, dann ist das ein klarer Fakt. Ist dort hingegen von “angemessener Reduzierung” die Rede, so kann die Aussage eben so oder so ausgelegt werden und somit zu Streit führen.
Daher achten Sie, zusammen mit Ihrem Berater, nicht auf den Preis. Zuerst sollten Sie sich das Bedingungswerk und die Formulierungen durchlesen und diese verstehen. Was Ihnen nicht klar ist, fragen Sie nach. Immer und immer wieder, bis Sie diese verstanden haben. Erst dann folgt die Auswahl der Rentenhöhe und später die Betrachtung des Preises.
Weitere Informationen:
Leitfaden zur Berufsunfähigkeit
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