Es ist mal wieder einer dieser Beiträge, wo ich mich ernsthaft frage ob jeder jeden Mist veröffentlichen Darf. So geschehen gestern bei der Präsentation der “bundesweiten Stichprobe” der Verbraucherzentrale. Den kompletten Beitrag und die Präsentation stellt der Bundesverband der Verbraucherzentrale auf der Internetseite zur Verfügung.
“Beitragsenplosion bei den Privatkassen”
titelt die Verbraucherzentrale auf der Internetseite und springt damit auf den Zug der Medien auf, klar- irgendwie muss man anscheinend an Leser kommen oder Aufmerksamkeit erregen.
Zunächst einmal, man kann es gar nicht oft genug wiederholen, gibt es keine Privatkassen, nur rechtlich anders aufgestellte Versicherungsunternehmen. Eine Krankenkasse ist eine gesetzliche Kasse. Doch die Unkenntnis des Systems und der Art und Weise einer Absicherung zieht sich weiter durch den Text und den polemischen Beitrag.
Wo liegen denn die zentralen Probleme?
Eines der grundlegenden Probleme in der privaten Krankenversicherung ist die Beitragsentwicklung, so die Verbraucherzentrale. Hiermit hat diese durchaus einen wunden Punkt eines Teils der Versicherten getroffen, denn was nützt ein guter Schutz, wenn sich den niemand leisten kann.
Die Diskussion wurde noch durch die massiven Anpassungen der Central Krankenversicherung im Jahr 2011 und die Schließung von Einsteigertarifen weiter angeheizt.
Gerade die billigen Einstiegstarife führen in einer privaten Krankenversicherung dazu, dass die Kosten schon von Beginn an zu niedrig kalkuliert sind und so kann eine solche Rechnung nicht aufgehen. Das hier im Management der Central und auch einiger anderer Unternehmen Fehler gemacht worden sind, das steht sicher außer Frage.
Wie fundiert ist diese Stichprobe?
All die Aussagen bezieht die Verbraucherzentrale auf eine “Stichprobe” von 140 (!) Versicherten und deren Befragung. Von 140 Befragten auf eine Gesamtaussage zu schließen und alle Unternehmen und Versicherten so über einen Kamm scheren zu wollen zeigt nicht nur die Naivität, sondern auch die bewusst einseitig gewünschte Art der Berichterstattung.
In den vergangenen drei Monaten haben die Verbraucherzentralen bundesweit über 140 Beschwerden von Betroffenen über Beitrags- und Wechselprobleme in der Privaten Krankenversicherung (PKV) ausgewertet. „Unsere Befürchtungen wurden weit übertroffen“, bilanziert Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Bestätigt wird dieses auch dadurch, das 140 Beschwerden ausgewertet wurden (wie auch immer das geschehen ist). Nun liegt es in der Natur der Sache, das Personen die sich beschweren unzufrieden sind oder waren und eine solche Auswertung kann kaum repräsentativ sein.
Die Beschwerden umfassen mit wenigen Ausnahmen Verträge, die länger als zehn Jahre bestehen und Versicherte, die älter als 45 Jahre sind. „Kunden berichten, dass sie die Beitragshöhen im Ruhestand auf keinen Fall mehr zahlen können“, so Wortberg. In einem Extremfall zahlt eine 59-jährige Frau einen monatlichen Beitrag in Höhe von 1095 Euro.
Warum hier der Kundin keine Wechselmöglichkeiten nach §204 VVG angeboten wurden oder warum man einen Wechsel in den Basistarif nicht in Erwägung gezogen hat, vermag hier niemand zu beurteilen, da die entsprechenden Hintergründe nicht bekannt sind. Das erinnert mich sehr an den Beitrag der panorama in der ARD vor einigen Tagen. In meinem Blogbeitrag hierzu habe ich bereits die entsprechenden Hintergründe erklärt und die Entwicklung der Beiträge und entsprechende Möglichkeiten erläutert.
Der Tarifwechsel:
Weiterhin prangert die Verbraucherzentrale an, dass eine entsprechende Tarifwechselmöglichkeit nur in 4 von 144 Fällen problemlos funktioniert haben soll. Auch hier stellt sich die Frage, wer hat wo und was angefragt und wie sollte ein solcher Wechsel aussehen?
Richtig ist sicher, das die Unternehmen teilweise massiv mauern und einen Tarifwechsel nicht von sich anbieten. Dafür gibt es aber Berater, Makler und dergleichen und auch eine Verbraucherzentrale sollte in der Lage sein, Anfragende entsprechend zu unterstützen. Ein solcher Tarifwechsel nach 204 VVG ist gesetzlich garantiert.
Gerade wenn Sie in einer solchen Situation mit der Gesellschaft selbst nicht weiter kommen, suchen Sie sich einen Berater der sich auf die Private Krankenversicherung spezialisiert hat. Hier lassen sich die entsprechenden Tarifwechselunterlagen anfordern und vorallem überprüfen. So gehen Sie sicher, dass kein unerwünschter Wechsel mit Einschränkungen angeboten wird und ihre Wünsche berücksichtigt werden.
Was schlägt die Verbraucherzentrale als Lösung vor?
Spannend sind die entsprechenden Vorschläge zur “Reform der PKV Systeme”. Drei wesentliche Eckpunkte schlägt die Verbraucherzentrale vor und hier wird sehr deutlich, was das Ziel dieser Kampagne ist. Der erste Vorschlag lautet:
Die Einführung des Sachleistungsprinzips:
Anders als im bisherigen System glaubt die Verbraucherzentrale, dass eine Änderung des Systems der PKV in ein GKV Modell die Lösung sein soll. Der Patient soll nicht mehr direkt abrechnen können, sondern Arzt und Versicherung rechnen direkt ab.
Gerade diese Freiheit den Arzt und dessen Leistungen frei wählen zu können und einen Versicherungsschutz so wählen zu können, wie ich mir den als Kunde verspreche, den möchte die Verbraucherzentrale aushebeln. Vielleicht sollte man auch dort mal die unterschiedlichen Systeme Gesetzliche Krankenkassen (GKV) und private Krankenversicherungen (PKV) verstehen und erst dann solche “Thesen” propagieren. In meinem Leitfaden zur Privaten Krankenversicherung habe ich die unterschiedlichen Systeme bereits im Detail beschrieben.
Die Angleichung der Gebühren:
Dieser Ansatz der Verbraucherzentralen ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. Grund ist, dass einige Ärzte Privatversicherte schlichtweg überversorgen. Daher ist auch heute die private Krankenversicherung lange nicht für jeden geeignet. (Beitrag: Eine private Krankenversicherung muss man sich leisten wollen und können- eine langfristige Beziehung mit nötiger Planung)
Dennoch muss es dem Versicherten selbst überlassen sein, zu beurteilen welche Leistungen er in Anspruch nehmen möchte. Das System der Gebühren bedarf grundsätzlich sicher einer Reform, jedoch nicht in der einschränkenden Form wie die Verbraucherzentrale hier vorstellt.
Eine Einkommenskomponente bei der Prämienkalkulation:
Diese Forderung der VBZ ist so unsinnig wie anscheinend undurchdacht. Der Vorteil der Privaten Krankenversicherung ist grade der, das das Einkommen der Kunden nicht berücksichtigt wird. Eine “soziale” Komponente, wie die Verbraucherzentrale hier schreibt, kann in der Kalkulation nicht funktionieren. Prämien werden nach Alter, Gesundheitszustand und gewünschten Leistungen berechnet. Eine Komponente die an das Einkommen der Versicherten gekoppelt ist, führt die Kalkulation und somit auch die zukünftige Beitragsentwicklung ad absurdum.
Fazit:
Dieser Bericht der Verbraucherzentralen springt auf den aktuellen Zug auf und meint Ratschläge für eine Reform geben zu können. Das was hier aber als “Reformgedanken” für die Private Krankenversicherung verkauft werden soll, das ist die Umwandlung der PKV in eine GKV. Alle drei Thesen bilden die aktuelle Situation der GKV ab und genau das will man anscheinend erreichen.
Wie bereits in meinem Beitrag “Eine private Krankenversicherung muss man sich leisten wollen und können- eine langfristige Beziehung mit nötiger Planung” bereits erklärt, ist der Schutz in der Privaten Krankenversicherung lange nicht für jeden geeignet. Viele, die heute in der PKV versichert sind oder von windigen Beratern dazu überredet wurden, sind ungeeignet für das System. Gerade Existenzgründer und kleine Selbstständige, welche sich kaum die 300 EUR in der GKV leisten können, wie soll das in der Privaten Krankenversicherung funktionieren?
Wenn Sie also über einen Wechsel nachdenken, weil Sie andere und individuellere Leistungen versichern möchten und ein entsprechenden Versicherungsschutz brauchen, dann suchen Sie sich einen qualifizierten Berater und überlegen Sie gemeinsam welche Gesellschaft und welchen Tarif Sie benötigen.
Wenn Sie in die PKV wechseln wollen, weil man ihnen kurzfristig oder auch dauerhaft “Geld sparen” suggeriert, dann lassen Sie es bleiben. Zum Geld sparen gegenüber der GKV ist die Private Krankenversicherung definitiv ungeeignet.
Besonders toll:
140 Stichproben – 144 Tarifwechselversuche – haben es da also alle versucht, 4 davon sogar 2x? 😉
Die Central hat mit ihrer, aus meiner Sicht verantwortungslosen Kalkulation, billige PKV-Tarife für Kleinststelbständige, der gesamten Versicherungsgemeinschaft einen Bärendienst erwiesen. Denn die beiden Erhöhungen zum 01.01.11 und 01.01.12, die manche Centralversicherte 2x hintereinander mit Prämienerhöhungen von Teilweise über 50% des Monatsbeitrags getroffen haben, eignen sich nicht gerade um das Vertrauen in das System PKV zu verbessern. Auch schrecken derartige Meldungen meiner Meinung nach junge Menschen ab, die sich privat versichern dürften und dies auch aus finanziellen Grüneden könnten.
Was ich mich dabei immer Frage, Cui Bono, wem nützt es? Hört man die Aussagen der Central, dann hofft man ja eigentlich auf ein Ende der PKV und hat nun mit Tarifschließungen und Beitragserhöhungen nochmals nachgetreten.