In der letzten Woche wurde mir ein Fall bekannt, der zunächst danach klang, als wollte eine private Krankenversicherung (die Central) eine Leistung nicht zahlen. Daher bat ich den betroffenen Vater um Zusendung der Unterlagen zu dem betreffenden Hilfsmittel.
Dabei handelt es sich um einen sogenannten NF Walker, also ein technisches Hilfsmittel, womit ein Kind mit Behinderung selbstständig gehen kann. Hier ein Video des Herstellers, das den Nutzen hervorragend demonstriert.
Dieses war im vorliegenden Fall medizinisch notwendig und wurde vom behandelnden Arzt auch so bestätigt.
Also tat der versicherte Vater das, was er für richtig hielt und besorgte sich bei einem Sanitätshaus einen entsprechenden Kostenvoranschlag.
Die Kosten dieses Gerätes sind beachtlich. So schlägt die Anschaffung des Gerätes mit Kosten von 7.095 EUR zu Buche, dazu kommen weitere laufende Wartungskosten von etwa 800 EUR pro Jahr.
Nachdem dieser Kostenvoranschlag und das ärztliche Attest nun bei der privaten Krankenversicherung eingereicht worden ist, kam die schlechte Nachricht postwendend. Die Central lehnte die Bezahlung dieses Hilfsmittels ab.
“Die versicherten Hilfsmittel sind in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) aufgeführt. Steh- und Gehhilfen gehören nicht dazu. Bitte haben Sie Verständnis, dass hierfür keine Versicherungsleistungen zur Verfügung gestellt werden können.”
Natürlich führte dieses zur Verärgerung des Kunden, der zudem noch darauf hinwies, dass eine solche Versorgung in der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) für sein Kind wohl erbracht worden wäre.
Wer hat nun Recht?
Recht hat der Versicherer in dem Fall, so leid mir das persönlich, für die Eltern tut. Bei einem so genannten geschlossenen Hilfsmittelkatalog handelt es sich um eine abschließende Aufzählung der versicherten Hilfsmittel. Nur die dort genannten Hilfsmittel sind auch erstattungsfähig. Schauen wir uns dieses am Beispiel eines der Tarife der Central einmal an. Im (weit verbreiteten) Tarifwerk CV3H heißt es dazu:
Erstattungsfähig sind bei medizinischer Notwendigkeit ausschließlich
a) die Aufwendungen für Bandagen, Bruchbänder, Leibbinden, Kunstaugen, künstliche Kehlköpfe, orthopädische Stützapparate, orthopädische Einlagen, Gummistrümpfe, Beinprothesen, Armprothesen, Insulinpumpen, Unterarmgehstützen, Gehstöcke, Stoma- Versorgungsartikel, Hörgeräte und handbetriebene Standardkrankenfahrstühle,
b) unter Beachtung von summenmäßigen Begrenzungen die Aufwendungen für Sehhilfen (Augengläser, Brillengestelle, Kontaktlinsen) in tariflichem Umfang,
(…) Zusätzlich sind bei medizinischer Notwendigkeit ausschließlich die Aufwendungen für folgende Hilfsmittel erstattungsfähig, sofern sie nach vorheriger Abstimmung mit der Central über das Hilfsmittel- Management der Central bezogen werden:
Heimmonitore zur Überwachung der Atmungs- und/oder Herztätigkeit von Kleinstkindern zur Vorbeugung gegen plötzlichen Kindstod (SIDS), Sauerstoffgeräte, Ernährungspumpen, Wechseldruckmatratzen/- systeme, Krankenbetten in funktionaler Standardausführung, Schmerzmittelpumpen, Beatmungsgeräte, Schlafapnoegeräte, Motor-Bewegungsschienen und Heimdialysegeräte.
Hier wird deutlich, dass es sich um einen lückenhaften Versicherungsschutz handelt, der so wohl dem Kunden nicht bewusst war und von dem damaligen Berater der DVAG auch so nicht erklärt worden zu sein scheint. In diesem Fall ist also eher der Berater, denn der Versicherer schuld an der falschen Erwartungshaltung.
Schauen wir uns dazu aber einmal die neuen Tarife der Central an und nehmen dort den VARIO Plus als Beispiel für die Frage welche Hilfsmittel erstattet werden:
Erstattungsfähig sind Aufwendungen für die nachfolgend aufgeführten Hilfsmittel. Die unter B10.3 genannten Hilfsmittel werden über das Hilfsmittelmanagement der Central zur Verfügung gestellt.
(…) B10.2 Bandagen, Blindenleitgeräte, Blindenstöcke, Bruchbänder, Epithesen, Gehstöcke, Insulinpumpen, elektronische Kehlköpfe,Kompressionsstrümpfe, Kunstaugen, orthopädische Stützapparate, orthopädische Einlagen, ein Paar orthopädische Maßschuhe jeKalenderjahr (Erstausstattung zwei Paar), Prothesen, Spezialklingeln für Gehörlose, Stoma-Versorgungsartikel, Unterarmgehstützen
Auch hier hätte es wohl keine Erstattung gegeben, denn ich bezweifle hier noch, ob es sich um einen orthopädischen Stützapparat handelt. Jedoch wären hier zumindest grundsätzliche Chancen vorhanden gewesen.
Zahlen denn andere Versicherer diese Leistung?
Das kommt auch bei denen auf den Tarif und die Regelungen an. Handelt es sich um einen so genannten “offenen Hilfsmittelkatalog”, so wäre das Hilfsmittel selbst erstattungsfähig gewesen. Ob und in welchem Umfang die Reparaturen bezahlt werden, ist auch hier von den Bedingungen des Tarifs abhängig.
Aber auch bei anderen, geschlossenen Hilfsmittelkatalogen wären Erstattungen erfolgt. Dazu auch hier zwei Beispiele. Zuerst die Regelung in den Tarifen AGIL der RuV Krankenversicherung. Dort heißt es:
Als kleine Hilfsmittel gelten Sehhilfeneinschließlich der Refraktionsbestimmung durch Optiker, Bandagen, Bruchbänder, Leibbinden, Gummistrümpfe, Fußeinlagen, orthopädische Schuhe, Gehhilfen. Als große Hilfsmittel gelten Hörgeräte, Sprechgeräte(elektronischer Kehlkopf), Kunstglieder, orthopädische Rumpf-, Arm- undBeinstützapparate, Krankenfahrstühle. Leistungen für das jeweilige Hilfsmittel werden im Kalenderjahr höchstens einmal gewährt.
Nichterstattungsfähig sind Aufwendungen für alle anderen Hilfsmittel (z.B.Perücken, Haarteile), für medizinische Apparate und sanitäreBedarfsartikel (z.B. Massagegeräte, Heizkissen) sowie für Gebrauch und Pflege von Hilfsmitteln (Ersatzbatterien, Ladegeräte u.a.).
(…)
2 Sonstige Hilfsmittel, Behandlungs- und Kontrollgeräte
Abweichend von § 4 Nr. 2 d) Sätze 1 bis 4 Teil II AVB/KK 2009 werden die erstattungsfähigen Aufwendungen für Anschaffung, Wiederbeschaffung und Reparatur medizinisch notwendiger Hilfsmittelund Körperersatzstücke, Behandlungs- und Kontrollgeräte ersetzt – zu 100 %.
Bei offenen Katalogen heißt es aber nicht, dass diese immer besser als geschlossene Kataloge sind. Gerade wenn betragsmäßige Einschränkungen vorhanden sind, oder sich auf eine so genannte einfache Ausführung handelt, ist Vorsicht geboten. Auch in anderen Tarifen mit geschlossenen Hilfsmittelkatalogen (und teilweise offenen Formulierungen) werden solche Geräte erstattet. Dazu schauen wir uns das Beispiel des Deutschen Rings im Tarif Esprit an:
g) folgende Hilfsmittel (einschließlich Reparaturen), die ab einem Rechnungsbetrag von 950,– EUR einer vorherigen Leistungszusage* bedürfen:
Hör- und Sprechgeräte (Batterien für Hörgeräte sind nicht mitversichert), Bandagen, Einlagen, Bruchbänder, Gummistrümpfe, Leibbinden, Gipsschalen, Katheter, Stomaversorgungsartikel, Körperersatzstücke und Prothesen (z. B. künstliche Augen, künstliche Gliedmaßen), Blindenhund (Anschaffung, Ausbildung), Geh- und Stützapparate, Krankenfahrstühle. (…)
* Wurde keine vorherige Leistungszusage vom Deutschen Ring eingeholt, werdendie Kosten übernommen, die in gleicher Qualität und Ausführung im Rahmen einer möglichen alternativen und kostengünstigeren Versorgungsform (Miete, Leasing, Kauf) oder bei Bezug des Hilfsmittels über einen Kooperationspartner des Deutschen Rings angefallen wären.
An diesem “kleinen” Beispiel sehen Sie sehr deutlich, wie wichtig eine entsprechende Tarifauswahl ist. Dabei geht es auch um die Frage wie später die Kinder mitversichert werden können. Nur wenn diese gesund geboren sind lassen sich die Kinder womöglich noch allein bei einem anderen Unternehmen versichern. Werden diese mit Vorerkrankungen oder Behinderungen geboren, so geht es nur über die Neugeborenennachversicherung. Hier ist es daher elementar wichtig, dass der eigene Tarif ausreichende Leistungen bietet.
Weitere Informationen zum Thema:
Ein sehr gutes Beispiel, wie wichtig die Versicherungsbedingungen sind! Schade, dass es immer wieder Vermittler gibt, die solche Dinge offensichtlich nicht kommunizieren.